Künstlergruppe Querschlag (2003-2008)

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Michael Knauth

Michael Knauth

Michael Knauth ist eine Art konzeptueller Künstler, so sagt er zumindest. Er traut der stofflichen Materialität kaum noch etwas zu, denkt seine Kunst, das ist ihm die Hauptarbeit. Sie auszuführen eine rein technisch handwerkliche Angelegenheit, die er überwacht, weniger mittut, da der eigentliche künstlerische Prozess für ihn da bereits abgeschlossen ist. So sehen sie hier auch keine Objekte, sondern Fotografische Aufnahmen von ihm gebauter Objekte.
Dennoch hat er zuvor die Prinzesschen und Prinzen aus Barbys Reich entkleidet, sie ihrer äußeren Werbeschicht entblößt, an ihnen herumgedoktert, sie zu Ketten gereiht, in Gruppen gefügt, andere auseinandergenommen und in hintersinnige Objekte verwandelt. Und über die Fotokästen, die die Puppen größer zeigen, als sie in den Spielzimmern zu finden sind, mächtiger auch, als sie so niedlich verpackt in neueste Modekreationen scheinen, kommt eine merkwürdig faschistoide Wirkung zustande, denn es scheint, als ginge es um Züchtung, Normierung, Gleichschaltung. Allein die nackten gereihten Körper, gleich ob sie sich gegenseitig in den Hintern kriechen oder der Bild-Leser ahnungslos von braunem Samen überschwemmt wird, das mag die erzählte Geschichte sein, provozierender erster Anreiz. Die beklemmende Wirkung geht eher von der durch die Reihung übersteigerten „makellosen“ nackten Puppenhaftigkeit aus, einem makabren Gleichschritt, Vermassung des Individuellen. Es geht Michael Knauth um das, was hinter dem schönen Schein der Werbe-und Warenwelt steht, die leeren Hüllen, hohlen Versprechungen, die sich Leben nennen und Ersatz sind. Hier kippen die Bedeutungen, auch auf den Acrylbildern Michael Knauths, die erst einmal die äußere Sterilität der Werbewelt aufnehmen, um sie durch eine verfremdende andere Text-Bild Kombination ins Fragen zu verkehren.
Dr. Ina Gille, Leipzig im Mai 2005

Michael Knauth Objekt

SCHÖNE VERKEHRTE WELT - Verkehrte Welt. Die Welt steht Kopf. Wir sind Gott. Die Welt ist ein Marionettenspiel. Wer ist der Puppenspieler? Wer trägt die Verantwortung? Wer entscheidet über den Verlauf des Spiels, die Regeln und sein Ende? Wenn wir Gott sind, sollten wir doch zumindest mitentscheiden. Doch wer sich, verstrickt in Alltagszwängen, nie mit diesen Fragen beschäftigt, so philosophisch sie klingen mögen, wird auch keine prüfenden Gedanken daran verschwenden, ob er nun Akteur ist, Regisseur sogar oder lediglich eine benutzte, manipulierte Figur, ausgeliefert einem undurchsichtigen existentiellen und gesellschaftlichen Spiel mit undurchschaubaren Regeln. Kunst stellt Fragen, sie fordert zum Denken heraus – im Idealfall. Will Kunst nur schön, gefällig und unterhaltend sein, bleibt sie affirmativ und dümpelt als belanglose Dekorationsware für den lifestyligen Massengeschmack herum. Der Chemnitzer Künstler Michael Knauth geht über das Fragenstellen weit hinaus. Auf höchst eindrucksvolle Weise bringt er unterschiedliche Funktionen und Erscheinungsweisen von Kunst in seinem Werk zusammen – wie in seiner großen, nicht zu übersehenden Revolte gegen die selbstverantwortete existentielle und gesellschaftliche Ohnmacht: "Wir sind Gott". Man denkt an Kants berühmte Definition der Aufklärung, die den Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit befreien will. Knauth bringt sein zentrales Anliegen, daß Kunst durchaus mit einem wachrüttelnden Bildungsauftrag ausgestattet ist, in dieser Arbeit auf den Punkt, ohne dabei in konzeptuelle Diskursplatitüden mit Insidergetue zu verfallen. Im Gegenteil: Seine Installationsarbeit verfügt über einen so sensiblen wie sinnlichen Anteil, mit unmittelbar grotesken und absurden Zügen. 24 gleiche, vielleicht geklonte Puppen, die es bei aller aseptischen prallen Coolness durchaus unanständig meinen könnten, hängen zum Nichtstun verurteilt kopfüber von der Decke, ausgeliefert einem verborgenen Puppenspieler. Letztlich spielt es keine Rolle, ob die Puppen weiblich sind, ausgestattet mit allen wesentlichen Attributen, die sie auf den leidvollen Status einer reinen Gebrauchsfigur herabwürdigen, sie ist ohnehin leblos, ohne Bewußtsein ihrer selbst und ohne Wissen um eine Welt, die sich mehr erwünscht als eindimensionale Marionettenzombies. Der Betrachter von Knauths Arbeit erschrickt, die appellative und provozierende Kraft der gleichförmigen, ja seriellen Puppenarmee ist so stark, daß sich jeder sofort darin wiederfinden kann, sich fragen muß, hänge auch ich dort an unsichtbaren Fäden, am Strick und warum? Welche Rolle spiele ich, bin ich fremdgesteuert? Knauths verkehrte Welt ist zwar ein theatrum mundi, jedoch mit der Chance, daß sie sich wieder zurecht rücken läßt – zum Besseren. Zumindest ist das die tiefe Absicht seiner Arbeiten und für ihn auch die Legitimation von Kunst überhaupt: ohne die selbstgefälligen Allüren akademischer Konzeptkunst, fern jeder privatmysthischer l'art pour l'art-Ergüsse versucht Knauth Sehgewohnheiten zu durchbrechen. Vom verspielten Aha-Erlebnis bis zur inszenierten RadikalSchockShow reicht seine Palette, um unser eingeschlafenes Bewußtsein aus seinem kritiklosen Dämmerzustand heraus zutreiben und an zustacheln, all das wieder in die eigene Hand zu nehmen, was wir leichtfertig den Strategen der Konsum- und Werbewelt überlassen haben. Kunst hat für Michael Knauth den Auftrag, die simplen Sachverhalte des menschlichen Gegen- und Miteinanders sichtbar zu machen, uns plausible Erklärungs- und Handlungsmöglichkeiten bereitzustellen, mit denen wir unsere eigenen automatisierten Manipulationstechniken wieder ablegen können, um zu einem authentischen (Selbst-)Erleben zurück zufinden, fern jener selbsthypnothischen Ruhigstellung. Indem der einzelne das Zusammenwirken stereotyper Manipulationsmechanismen durchbricht, haucht er sich selbst insofern wieder Leben ein, daß er ein wahrhaft Ganzes erkennen kann, in dem er als autonomes Wesen handelt und denkt, und nicht mehr wie eine willenlose Puppe geführt und vorgeführt wird. Aus den künstlichen Paradiesen der suggestiven, alles nivellierenden Werbeästhetik katapultieren uns die Bilder und Installationen, die gedankenvollen Inszenierungen von Knauth schlagartig hinaus, wenn wir in einem Augenblick ehrlicher Selbsterkenntnis realisieren, wir sind vielleicht nicht (wie) Gott, aber auf jeden Fall alles andere als eine narkotisierte Puppe. Ein wenig wie Prometheus hat Michael Knauth den Göttern das Feuer entwendet. Dem Künstler bleibt nun erst recht die Aufgabe, vieles mit und für viele zu tun, aber eben nicht als ein moderner Sisyphos.
Klaus Fischer 2007

Michael Knauth Installation

WAS HAST DU GETAN? - Wer Täter ist kann gleichzeitig auch Opfer sein. Geschichte wiederholt sich. Immer und immer wieder. Stets auf der richtigen Seite stehen. Zu den Gewinnern gehören. Zu den Guten! Wem gelingt das? Sich selbst und dem Betrachter den Spiegel vor das Antlitz haltend. Ganz gezielt im gleichen Augenblick den wahrscheinlich unbescholtenen, sich jedenfalls unschuldig glaubenden Betrachter als Schuldigen zu diffamieren. Was hast Du getan! In den Sprachen der Welt und in seiner eigenen Muttersprache schreit er jedem Einzelnen das anklagende Wort: Täter! entgegen. Natürlich können wir nichts dafür, dass die Welt so ist wie sie ist. Auch Du bist schuldig. Wir sind Schuldig. Wenn die Welt so bleibt wie sie ist. Was hast Du getan?
Bernd Weise 2007

Michael Knauth Installation

HUMAN WAY - Ausgerollt vor unseren Füßen liegt der rote Teppich. Was normalerweise den Stars und Sternchen, Staatsoberhäuptern und verdienstvollsten Stützen unserer Gesellschaft vorbehalten ist, sich auf diesem Material gewordenen Sinnbild für Ruhm und Ehre zu präsentieren, wird uns unversehens selbst zu Teil. Wie gehen wir mit dieser Aufforderung um? Welche Gefühle begleiten uns während wir angehalten sind, uns jenem auratischen Moment höchster Ehrerbietung zu überlassen?
Angst, sich angemessen zu verhalten? Peinliche Berührtheit ob der plötzlichen Aufmerksamkeit die uns zuteil wird? Heimliche Genugtuung darüber, sich der eigenen Verdienste auf diese Weise gewürdigt zu sehen?
Mit gemischten Gefühlen begeben wir uns auf den Weg, die medialen Bilder von Blitzlichtgewittern im Kopf, in großer Erwartung. Doch es warten weder die Foto-dokumentierenden Beweiserbringer unseres Ansehens noch ein Aufsehen erregendes Ereignis auf uns. Wir werden uns gewahr, dass wir selbst zum Ereignis geworden sind, dann nämlich, wenn wir feststellen, dass uns der Weg aufgrund einer materiellen Manipulation mit jedem Schritt schwerer fällt, dass es sichtbar aussichtslos ist, das Ende des roten Teppichs zu erreichen, weil er sich in mehreren Windungen hin zur Decke verliert.
Die gewohnte öffentliche Inszenierung eines Aktes erfährt in der Komprimierung zur stillen Selbstinszenierung ein radikales Bewusstseinsmoment, in dem der Einzelne auf die Paradoxie der eigenen emotionalen Realität zurückgeworfen wird, indem er von einer erlebbaren Wirklichkeit eingeholt wird, in der er den anfänglich stillen Gemütsbefragungen nicht mehr ausweichen kann, die nun immer deutlicher werden und auf Stellungnahme warten. Der Weg auf dem roten Teppich wird zum Kommunikationsweg, der öffentliche Bewegungsraum zum intimen Denkraum.
Simone Heller 2008

Michael Knauth Installation

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