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Michael Goller malt und textet, textet und malt. Manchmal nebeneinander her, oft
aber ineinander. Er mag der Getriebenste und Rastloseste sein unter den
Querschlägern, bei dem Selbstzweifel und Höhenrausch eng beieinander liegen.
Seine Malereien sind ornamental, expressiv und erzählerisch in einem, sie
mischen Comicelemente mit abstrakter Farbmagie, wollen verstören durch
inhaltliche Direktheit und dabei reine Kunst bleiben. Ein realitätswacher
Träumer, assoziativ Umschreibender, der Kosmen durch Poesie bannen will. So
hoffen seine Bildtitel zB von der Versklavung des Schöpfers durch die Erlösung
des Geistes und der Materie, was auf dem Bild wie labyrintische Verwirrung
anmutet. Immer wieder werden Wörter und Sätze den Malereien eingeschrieben,
meist nicht mehr zu entziffern nähern sie sich Hieroglyphen an. Verqueres
Zeitrauschen, in dem sich Perspektiven verkehren, Räume durch Farbflächen
verschlossen werden, Figuren und Tiere zeichenhaft irgendwo in den Bildschichten
steckenbleiben, Fußtritte sich breitmachen und Hände verschwinden. Ab und an
aufgeklebte, aufgemalte Din-genormte Rechtecke wie eine kühl einbrechende
Gegenwart in sein schöpferisches Chaos, mit einem anderen Code der
Verständigung. Doch Michael Goller bleibt erdverbunden, wie mit dem
nutellaverschmierten Mund oder dem Gespräch mit Teebeutel. Ironie und Hintersinn
allemal, das Poetische eher die dahinter verborgene Welt. Auf alle Fälle
Malereien, die sich aus ihrer sinnlichen Substanz heraus selbst zu einem
Gegenpol der kalt sentimentalen Warenästhetik machen.
Dr. Ina Gille, Leipzig im Mai 2005
Was flüchtig betrachtet vielleicht wie ein mehr oder weniger zufällig zusammengepinseltes Farbgebilde daherkommt,
erweist sich bei genauerem Hinsehen jedoch als durchdachte Komposition.
Man erkennt die gezielte Farbauswahl und den bewussten Einsatz der künstlerischen Ausdrucksmittel – eben eine „wohlgeordnete Zusammenfügung“.
Skizzen und Studien sind deswegen auch wichtige Vorarbeiten für Goller, der allerdings auch dem Zufall beim Arbeiten noch seinen Raum lässt.
In ständiger Reflexion treibt er seine Bilder voran, verdichtet, verwirft und übermalt immer wieder.
Das kann sich zum Teil über sehr lange Zeiträume erstrecken - schließlich kann man in seinen Werken aber immer auch etwas von diesem Prozess verspüren.
Es sind keine glatt gestrichenen Bilder, keine leblosen Gebilde, sondern impulsiv-leidenschaftliche Malereien.
Der Einstieg in jedes seiner Gemälde ist wie das Aufspüren einer Erzählung. Wie ein dickes Buch hält es für uns einen Schatz an Geschichten bereit.
Es hat fast etwas mit Archäologie zu tun, seinen Werken auf den Leib zu rücken, sie sprechen zu lassen, denn man muss diese Schichten für sich freilegen.
Ebenso zu entschlüsseln gilt es die eigentümlichen Schriftzeichen – eine Gollersche Eigenschöpfung –,
die wie Runen oder steinzeitliche Zeichen in die Farbhaut hineingekratzt sind und helfen, fast jedes Werk auch begrifflich zu erfassen.
Die Mehrschichtigkeit und Komplexität, das Gleichzeitige disparater Geschehen, von dem unsere Tage bestimmt sind, finden sich hier entsprechend visualisiert.
In den großen Leinwänden ergießen sich Formen und Inhalte von orchestraler Fülle und Opulenz auf den Betrachter.
Man ist fast geneigt, hier von einem „Horror vacui“ zu sprechen.
Dagegen bilden die Zeichnungen und Arbeiten auf Papier mit ihrer kammermusikalischen Konzentration eine Art Gegenpol.
Sie sind sparsamer im Bildaufbau und auf wenige Elemente reduziert. Ganz deutlich wird hier eine weitere Gollersche Eigenheit sichtbar:
eine gewisse Diskrepanz oder Zweigleisigkeit in den verwendeten Mitteln, was allerdings gut auskalkuliert ist:
Exakte Zeichnungen feinster Linearität, zumeist Stilleben-Szenerien oder antike Porträtbüsten darstellend,
treffen auf gestische Farbspritzer, Tropfen, Flecken, wodurch die Werke ihre pulsierende Dynamik und einen eigenen Rhythmus bekommen.
Alexander Stoll, Annaberg-Buchholz im April 2006
Das Fragmentarische und Dissoziative scheinen perfekt geeignet, das Urbild unserer Wirklichkeit abzubilden:
Im Rauschen der medialen Eindrücke ist einzig das Flüchtige von Bestand. Die Bilder von Goller sind in der Lage, beide zu vereinen:
Die Flüchtigkeit, denn wir können in ihnen hin und her zappen, und jeder Quadratzentimeter der Leinwand eröffnet uns eine neue Geschichte und einen neuen Horizont;
Die Beständigkeit, denn wir wissen und erkennen im Bild, dass hinter jedem Fragment eine nicht beliebige Vorgeschichte steht, ein schwieriger Kampf im künstlerischen Prozess,
der dauerhaft in den Tiefen der Leinwand weiter tobt.
Der Künstler ist der Rebell, der hinausschaut, die Welt schaut, sich dadurch aber auch isoliert, und daran zerbrechen kann.
Goller hat diese Erfahrung am eigenen Leib gemacht, wird aber keineswegs müde, seine Auffassung von Welt weiter in seiner Malerei zu vermitteln.
Bis heute hat er schon ein sehr umfangreiches Oeuvre geschaffen, das eigenständig und ungewöhnlich ist.
Seine Malerei ist ein Angebot und eine Aufforderung an uns, einen anderen Blick auf unsere Welt zu richten.
Dabei sind hier aus der Fülle der inhaltlichen und formalen Motive nur einige wenige zur Sprache gekommen. Es ist noch viel zu entdecken...
Torsten Obrist, Essen im April 2008
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