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ISBN 3-938543-03-5
mit einem Text von Peter Piek
1. Auflage 100 Exemplare 2005 Passage Verlag Leipzig
40 S., farbig, 10,- EUR
(Auflage vergriffen)
Katalogtext:
Michael Goller malt.
Ok. folgende Sachlage: Die Protagonisten dieses Textes. aber es ist kein Text,
es ist ein Leben, sind in einer Einraumwohnung eingesperrt. Ein mittelgroßer
Raum. 20 Quadratmeter. leer bis auf: vier Stühle, eine Leinwand. 105 * 150 cm
groß. Querformat. außerdem gibt es Fenster, die Licht herein aber keinen Blick
hinaus lassen. Ein Skizzenbuch, welches man nicht anfassen kann (von Magnetfeld
abgeschirmt). Eine kleine Pappe. eine Toilette. und eine Küche (mit
Lebensmittelvorräten (für zwölf Jahre)). Es gibt viele Sachen nicht: Ablenkung.
kein Fernseher, kein Computer, kein Internet. Keine Stereoanlage. Kein Telefon.
Keine Bücher. keine Fotos. trotzdem, oder gerade deswegen wird sich niemand der
Protagonisten langweilen. niemals. die Wände sind weiß, wie die Leinwand. ach
und es gibt keine Tür. und keine Erinnerung. und keine Zeit. es ist immer hell.
Herr Gelb, Fräulein Violett, Herr Blau und Frau Weiß befinden sich in dem Raum.
Sie kennen sich nicht. (keine Erinnerung) Oft sitzen sie in einer Reihe auf
ihren Stühlen in reichlich Entfernung vor der Leinwand. betrachten diese.
Wochenlang. Stundenlang. Jahrelang? sie wissen es nicht. aber es kommt ihnen
lang vor. Die Leinwand bleibt weiß. "möchtet ihr Kaffee nach dem Essen?" fragt
Herr Gelb die anderen. "Ja gern." "ich nicht unbedingt." "weiß mit Zucker, ja?"
"und du? ja oder nein? "na ok. ich nehm auch einen" "ich muss noch mal schnell,
ihr wisst schon. auf die Toilette. aber wartet nicht mit dem Essen." So vergeht
die Zeit sehr harmonisch. Nicht immer, aber sehr oft schauen sie auf die
Leinwand. in einer Ahnung kommender Farbe, Linien, Punkte und Flächen. Ein
Spannungsfeld entsteht, dem sich die Protagonisten in Erwartung nicht entziehen
können.
Als niemand damit rechnete: öffnet sich das Skizzenbuch von selbst). Die
Protagonisten sind erschrocken.
eine kleine Zeichnung entsteht. Feder, violette Tusche, sparsam laviert und ein
paar Buntstiftstriche. Ein Schwarzer Fleck in der Mitte "Ich glaube es nicht.
Ich glaube es einfach nicht." quietscht Frau Weiß. "w-w-w-w-w" stottert Herr
Blau. Sie fassen sich die Hände, um sich zu beruhigen (Die erste Berührung
seitdem sie hier sind). "Da wird etwas geschrieben." "Kannst du es lesen?" "mal
sehen. Gas-teh-mahl -- mmh -- ah-uh-ef de-eh-rr -- weh-ie-eh-es-eh." "Jaaaa!
Gastmahl auf der Wiese" Herr Gelb laut und euphorisch. Die Vier scheinen
aufgelöst zu sein. Das Skizzenbuch schlägt zu.
"OOOHh Mann!" - "Huh!"
Die Vier mit den Farbennamen setzten sich. Bilden einen Kreis. Einen Punkt.
Obwohl sie sichtlich gefallen daran gefunden haben, einander die Hand zu halten,
und dies lange Zeit getan hatten, verlassen sie diesen dünnen
zwischenmenschlichen Bund (da Frau Weiß pinkeln gehen muss).
Lange Diskussionen prägen nun das Bild der Einraumwohnung. "Sagt mal. Vielleicht
bin ich doof oder so, aber was ist eigentlich eine Wiese?" fragt Fräulein
Violett. Herr Gelb, der ein Auge auf Fräulein Violett geworfen hat widerspricht
sofort energisch: "Nein. Fräulein Violett. Es gibt keine dummen Fragen" So und
anders steigert sich die Diskussion. die nur durch kurze Pausen. etwa zum Essen
einnehmen. unterbrochen ist. So passiert es, dass unbemerkt von den sich im Raum
befindenden Menschen die Pappe mit Gouache-Farben bemalt wird. Als dies zufällig
bemerkt wird, gerät die Stimmung ins Kochen. "Verdammt!“ – „Scheiße! Wie konnten
wir das verpassen!" schnauzt Herr Blau wütend. Frau Weiß umarmt ihn
besänftigend.
"Es ist ein Entwurf." "für das Bild." "Für die Leinwand."
Sie beschließen, wachsamer zu sein und behalten die noch weiße Leinwand im Auge,
so dass wenigstens einer der Vier ein Auge darauf hat. "Das Bild wird alle
unsere Fragen beantworten." Herr Gelb ist stolz auf diesen Satz.
Unterdessen treten erste Differenzen in der Gruppe auf, da Fräulein Violett die
schleichenden aber kontinuierlichen Annäherungsversuche von Herr Gelb und Herr
Blau nur spärlich erwidert und ihrerseits aber in Frau Weiß verfallen zu sein
scheint, die wiederum von Herr Blau angetan ist, aber auch bei Herr Gelb
keinesfalls nein sagen würde.
Die Situation wäre vielleicht schon eskaliert, wenn nicht die Spannung auf das
Bild die Protagonisten zur Vernunft bringen würde.
und dann geschieht es auch:
schnell. spontan. flächig. mit viel Terpentin verdünnte Ölfarbe. mit großem
Borstenpinsel. helles Lila. helles Türkis. tropfen rollen angezogen von der
Schwerkraft. "Gestisch wie sau!" bemerkt Fräulein Violett. "irgendetwas wird da
abgedeckt." "angeklebt denke ich." "was soll da geschützt werden?" „und vor
was?“ „ein Teilbereich.“
ein durchsichtiges strapazierfähiges Papier im Format a4 wurde quer und mittig
an der Leinwand befestigt. Mit Buntstiften entstehen nun sehr detaillierte
Zeichnungen von Stilllebenelementen. (diese Striche sind nur auf dem Original zu
erkennen) "ob diese Gläser und Flaschen, bei dem, der das hier gerade zeichnet,
im Atelier herumliegen?" "Schaut! das Papier, die Maskierung ist
heruntergerissen worden" "Das macht doch keinen Sinn." "Vielleicht hat der Maler
seine Meinung geändert."
Der Malakt geht nun Schritt für Schritt von statten: Verstärkung der flächigen
Untermalung mit pastoser angeflüssigter Ölfarbe. „Wie das riecht.“
Terpentingeruch breitet sich in der Einraumwohnung aus. Schwarze Bereiche in der
Mitte. Stilllebenzeichnungen werden partiell aufgenommen und geben formellen
Halt für die Violetten und gelbgrünen Flächen. Im linken Bereich entsteht eine
Figur mit breitem Pinsel ausgeführt. „Man Eh.“ „Das ist hingerotzt!“ Die
Stimmung unter den Protagonisten ist sehr gespannt. Geschehnisse um das Bild
nehmen sie mit in eine Ferne neue Welt (ohne Erinnerung ist alles neu, aber das
hier wäre es auch so gewesen). Die Energie des Malens. Die Energie, des
sichtbaren Malprozesses überträgt sich auf die Vier. „Jetzt wird ein Weißer
Fleck hingeschmiert“ Zeichnung hineingeritzt. Pause. Die Protagonisten starren
auf das Bild. Die Stimmung bleibt erregt. Dann: Über die Stilllebenelemente im
rechten Bildteil. Überlegtes leuchtendes Blau und Hellgrün. Schwarze Linien.
Hereinfliegende Figur am Oberen Bildrand. „Das war in der Skizze.“ „Ach!“ Man
spürt, dass etwas Tiefes in der Luft liegt. Links wie blind geschmierte Striche.
Grün und Gelb. Locker. Frei. „Ist das Geil“ haucht Fräulein Violett. Gleich muss
etwas passieren. Noch ein Strich auf der Leinwand..
Frau Weiß zerreißt anfallartig ihre dünne Bluse. Die Situation explodiert. Sie
wirft sich mit ihren nackten Brüsten auf Herr Blau. Dieser der Situation
ausgeliefert und überfordert schleudert Frau Weiß mit unscheinbarer nie zuvor
gespürter Kraft gegen die Wand der Einraumwohnung. Fräulein Violett springt in
dem Moment auf, als Frau Weiß an der Wand aufschlägt und nimmt diese in die
Arme. Legt sie nicht sanft auf den Boden und beginnt Frau Weiß’s Brüste zu
küssen, und zieht ihre eigene Hose und den Rock von Frau Weiß herunter. Herr
Blau der die brutale Kraft des Malvorganges ebenfalls in sexuelle Energie
umgesetzt hat, und seit geraumer Zeit hoch erregt ist reist sich die spärliche
Bekleidung vom Leib und dringt von hinten in Fräulein Violett ein. Spürt den
feuchten warmen Druck. Fräulein Violett umspielt mit der Zunge den Kitzler ihrer
angebeteten Frau Weiß. Herr Gelb starrt, des Treibens außenstehend, auf das
Bild, auf dem seit Frau Weiß ihre Bluse gelüftet hat nichts passiert ist. Dann
schlägt er mit Wucht in das Gesicht von Herr Blau der dadurch aus Fräulein
Violett herausgleitet und auf den Boden geschleudert wird. Seine Nase beginnt zu
bluten.
Die Situation eskaliert. Niemand greift ein. Frau Weiß springt vom Boden auf und
schiebt sich energisch auf den Penis von Herr Blau. Beginnt kraftvoll auf ihm zu
reiten und leckt ihm das laufende Blut vom Körper. Indess schreit Herr Gelb wie
am Spieß, als er in Fräulein Violett eindringt. Alle Stöhnen. Die Vier mit den
Farbennamen ficken sich wie Geistes- und Verstandeslos. (Wie die Hasen.)
Das Bild Trocknet. Selig liegen sie nun als Knäuel auf dem Boden. Betrachten das
Bild. „Ich mach uns etwas zu essen“ sagt Herr Gelb, dem das mit der Nase leid
tut. Die Stimmung ist nun sehr ausgeglichen und liebevoll. „ist es fertig?“
„weiß nicht. Ich glaube nicht.“ - Gestische Strichlagen im Linken Teil. „die
Sahne fehlt noch.“ (sie trinken Kaffee). - Rote Tupfer rechts. „noch das
I-Tüpfelchen Sahne bitte!“ (sie essen Eis) - mit hoher Konzentration entsteht
Schrift: Gastmahl auf der Wiese. - „das letzte Quentchen. Ich weiß es nicht“
(sie schmecken die Suppe ab)
Links oben: m.goller. „Das Signum!“ „Jetzt ist es wohl vollendet.“
Sehr lange passierte nichts. - nichts. Frustration der Vier. „Jetzt ist alles zu
Ende“ Jammert Frau Weiß. Dann: nach endlosem Warten und einem gescheitertem
Suizidversuch von Herr Blau. Endlich: Drübermalen eines Bootes.
„Vielleicht hat m.goller einen Urlaub am Meer gemacht. Könnte doch sein. Hmm?“
„Dieses Bild ist das Ganze Leben“ Fräulein Violett ist stolz auf diesen Satz.
Peter Piek, Leipzig Jan 2005
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