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Über Kunst lässt sich streiten, besonders wenn sie im öffentlichen Raum stattfindet. Auf diese Weise gelangt sie auch mit denen in Berührung,
die sonst keinen Fuß in eine Galerie oder ein Museum setzen. Die Chemnitzer Künstlergruppe „Querschlag“ sorgt seit einiger Zeit regelmäßig für Aufsehen,
auch außerhalb der Kunstszene, was zum erklärten Konzept der Gruppe gehört. Ob sie nun nackte Puppen kopfüber in eine ehemalige Kirche in Chomutov hängen,
als „Farbterroristen“ in einer Großstadt U-Bahn fahren oder rote Teppiche im angesagten Leipziger Galerienviertel ausrollen.
Für Überraschungen sind die vier Querschläger immer gut. Diesmal ist der Stadtstreicher an der Reihe. Keine Frage, dass er in diesem Monat als Querformat daherkommen muss.
Auch keine Frage, dass er mit Kunst gespickt wird, mit Reproduktionen von Gemälden, mit Fotografien der einzelnen Mitglieder. Doch muss er an der Seite zugeleimt werden?
Michael Knauth ist der Konzeptkünstler der Gruppe. Er provoziert mit seinen Werken, die meist nicht aus Farbe und Leinwand bestehen,
sondern aus der gezielten Umsetzung eines (quergedachten) Gedankens. Knauth stellt die Dinge gern auf den Kopf, um Herkömmliches zu hinterfragen und Neues anzuregen.
So ist der zugeklebte Stadtstreicher auch nicht als böser Scherz zu deuten. Es ist eher wie bei einem Geschenk:
der besondere Inhalt verlangt nach einer aufwändigen Verpackung. Die Spannung steigt mit dem Auspacken, je schwieriger umso besser...
Der Titel des Heftes markiert sicher am deutlichsten, dass den Leser diesmal ein „Kunststreicher“ erwartet.
Die Reproduktion eines aktuellen Gemäldes von Peter Piek wurde nicht verkleinert und zeigt auch keinen willkürlich gewählten Ausschnitt.
Im Maßstab 1:1 kann man also den malerischen Intentionen des Künstlers folgen. Bei Piek, der zugleich Musiker ist und sich zur Zeit auf einer Tournee in den USA befindet,
gehen Malerei und Musik eine enge Verbindung ein. Im Video zu seinem Song „In Your Eyes“ kann jeder miterleben, wie ein typisches Gemälde von ihm entsteht.
Begibt man sich nun, nach Entfernen des Leimes, ins Innere des Heftes, trifft man beim Durchblättern auf zwei Fotoserien von Dirk Hanus.
Wie ein roter Faden ziehen sie sich durch das gesamte Heft und entfalten mit ihrem seriellen Charakter ein Eigenleben zum bunten Programmteil.
Man kann die Fotos einzeln oder auch als Zyklus betrachten, so wie sie eigentlich konzipiert sind. Man kann sich aber auch den Spaß erlauben und „Daumenkino“ spielen.
In der einen Richtung sieht man dann die Folge „Merlin“, in der anderen Richtung die Serie „Wir sind Gott“.
Letztere bezieht sich auf eine gleichlautende Installation von Michael Knauth (siehe Foto). Hier zeigt sich die Zusammenarbeit der Künstler,
die an sich sehr individuelle Wege gehen, auf besonders schlüssige Weise. Das einmal angeschlagene Thema – der Mensch als Marionette – wurde von Hanus erneut aufgegriffen.
Bei einer Performance mit seinen beiden Querschlagkollegen Michael Knauth und Michael Goller als „Schauspieler“ konnte er mit der Technik der
Lichtmalfotografie eine spannungsgeladene Fotoserie erarbeiten, die über das Erlebnis der Aufführung hinausreicht.
In der Mitte des Heftes präsentiert Michael Goller eines seiner neuesten Gemälde. Im Original 3 m lang und 1,20 m hoch,
zeigen sich hier die „Frontlinien (Seelinien)“ etwas kompakter und in Postergröße passend für die heimischen Wände. Gollers Malerei,
die auf den ersten Blick sehr spontan wirkt, ist das Ergebnis eines langen Arbeitsprozesses. Von der ursprünglichen Ideenskizze bis zum fertigen Bild
durchläuft das Werk oft eine Wandlung, so dass letztlich auch ein Ergebnis auf der Leinwand stehen kann, von dem der Künstler selbst überrascht ist.
Der vorliegende „Kunststreicher“ gibt einen Einblick in die Denk- und Arbeitsweise von vier Chemnitzer Künstlern, die immer wieder neue,
ungewöhnliche Wege der Vermittlung suchen. Vielleicht hat das Heft auch das Zeug zum Sammelobjekt.
Man braucht es sich nur signieren lassen und schon hält man ein multiples Werk zeitgenössischer Kunst in der Hand.
Die Wiederholung eines solchen Projektes wäre wünschenswert, denn Gelegenheiten, Gegenwartskunst aus der Region einem breiten Publikum vorzustellen, kann es nie genug geben.
Alexander Stoll, Neue Sächsische Galerie, 2008
Leim-Aktion von Michael Knauth
Fotoserie "Wir sind Gott" von Dirk Hanus
Fotoserie "Merlin" von Dirk Hanus
Copyright © Künstlergruppe Querschlag