Künstlergruppe Querschlag (2003-2008)

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Querschlag III

Ausstellung in der HECK-ART-Galerie und der Sparkasse Chemnitz vom 12.05.-11.07.2005

Paintboxes - Aktion in der Heck-Art-Galerie am 26.05.

Zur Abhängung, Zensur und vorzeitigen Schließung der Ausstellung in der Sparkasse

Einführung zur Austellung von der Leipziger Kunstwissenschaftlerin Dr. Ina Gille:

Querschlag III, HECK-ART-Galerie und Sparkasse Chemnitz, Moritzhof , 26.5.2005
Peter Piek, Michael Knauth, Dirk Hanus, Michael Goller

Das war eine öffentliche Hängung. Hatten sie sich die etwa anders vorgestellt, spektakulärer? Sie meinen, die Künstler sind gar nicht gehangen worden, hätten es ja zumindest spielen können… Wieder nur die Bilder und Objekte, die nun anzusehen sind...
Spektakel, Event, das mögen die vier hier Ausstellenden nicht sonderlich und sind dennoch nicht umhin gekommen, so was wie ein Event ironisch provokant an den Beginn ihrer dritten Querschlagausstellung zu stellen. Indem sie mit den Formen spielen, wollen sie provozieren, über die mit ihnen ansonsten transportierten Inhalte neu nachzudenken.
Querschlag, klingt brachial. Klingt vielleicht ein wenig quer auch zu der politischen Position, zu der sich Dirk Hanus, Michael Goller, Michael Knauth und Peter Piek eigentlich zurechnen, klingt irgendwie rechts angegangen. Wieder eine Provokation, ein Wort, das sich im Gebrauch der vier Künstler wendet, zu changieren beginnt, sich neu, mit anderem Inhalt füllt.
Natürlich bleibt es ein Querschlagen, Wut-Haben, Aufbegehren, Umsich-Schlagen, gegen das Leben aus zweiter Hand, den Konsumzwängen, Fernsehsüchten zu widerstehen, die seichten Unterhaltungsgelüste zu ignorieren, sich dieser gefilterte Wirklichkeit, vorgekaut, zu widersetzen, zu widersetzen mit Kunst.
Es sind vier Männer, - das lasse ich unkommentiert… Neben Malerei, Zeichnung, Fotografie und Grafik schreibt es aus ihnen, es wird gedichtet und Prosa getextet, in einer Band losgelegt. Ein richtiger Mix wird es dennoch nicht, die Sparten bleiben relativ getrennt, die vier sprechen halt in mehreren Sprachen, wobei die bildende Kunst die Oberhand behält. Brüche und Umbrüche sind bei ihnen normal, Selbstschulungen, Streitgespräche mit- und gegeneinander, daran wachsen sie. Und es gibt vom Jüngsten zum Ältesten einen Altersunterschied von fast 20 Jahren, da muss auch quer durch die Generationen einiges verbinden.

Vielleicht verbindet sie einerseits Wut, Aggression gegenüber der verheerenden Medienmacht, die den Menschen nur noch als Konsumenten wahrnehmen kann und andererseits Spontaneität, Offenheit allem Erleb- und Fühlbaren gegenüber. Alles, nur nicht der schale Ersatz für Leben, sie suchen es unverfälscht in individueller Selbstbestimmung.
Keinesfalls sind sie deshalb schon unter ein künstlerisches Dach zu stellen, einzuhüllen oder zu verhüllen mit einem künstlerischen Programm. Mit ihren individuellen Kunstäußerungen liegen sie fast quer zueinander, haben es jedoch bis jetzt geschafft, sich zu ergänzen, ohne sich dabei zu erschlagen.
Es bringt auch nichts, sie auf eine Querschlag-Protestebene zu heben. Wenn es nur das wäre, müssten sie keine Kunst machen. Bei den Werken trennen sich Wollen und Hoffen, da spricht nur das, was sich zeigt, programmatische Sprüche, Verkleidungen, Hüllen verdampfen schnell. Betrachten wir die Werke.

Michael Knauth ist eine Art konzeptueller Künstler, so sagt er zumindest. Er traut der stofflichen Materialität kaum noch etwas zu, denkt seine Kunst, das ist ihm die Hauptarbeit. Sie auszuführen eine rein technisch handwerkliche Angelegenheit, die er überwacht, weniger mittut, da der eigentliche künstlerische Prozess für ihn da bereits abgeschlossen ist. So sehen sie hier auch keine Objekte, sondern Fotografische Aufnahmen von ihm gebauter Objekte.
Dennoch hat er zuvor die Prinzesschen und Prinzen aus Barbys Reich entkleidet, sie ihrer äußeren Werbeschicht entblößt, an ihnen herumgedoktert, sie zu Ketten gereiht, in Gruppen gefügt, andere auseinandergenommen und in hintersinnige Objekte verwandelt. Und über die Fotokästen, die die Puppen größer zeigen, als sie in den Spielzimmern zu finden sind, mächtiger auch, als sie so niedlich verpackt in neueste Modekreationen scheinen, kommt eine merkwürdig faschistoide Wirkung zustande, denn es scheint, als ginge es um Züchtung, Normierung, Gleichschaltung. Allein die nackten gereihten Körper, gleich ob sie sich gegenseitig in den Hintern kriechen oder der Bild-Leser ahnungslos von braunem Samen überschwemmt wird, das mag die erzählte Geschichte sein, provozierender erster Anreiz. Die beklemmende Wirkung geht eher von der durch die Reihung übersteigerten „makellosen“ nackten Puppenhaftigkeit aus, einem makabren Gleichschritt, Vermassung des Individuellen. Es geht Michael Knauth um das, was hinter dem schönen Schein der Werbe-und Warenwelt steht, die leeren Hüllen, hohlen Versprechungen, die sich Leben nennen und Ersatz sind. Hier kippen die Bedeutungen, auch auf den Acrylbildern Michael Knauths, die erst einmal die äußere Sterilität der Werbewelt aufnehmen, um sie durch eine verfremdende andere Text-Bild Kombination ins Fragen zu verkehren.

Peter Piek hingegen ist vor allem Maler. Seine hier im Zentrum stehende Bildfolge Zeichen der Macht hebt sich von seinen anderen Malereien auffallend ab. Seine sonstigen Bilder sind situationsbedingter, wie ein Fortschreiben von schönen Zufälligkeiten, von Farbmustern und Strukturen, die Lebensfreude bedeuten, spontane Äußerungen sind, …verdammt geile Bilder, sagt er dazu. Ein zeichnend und malend gestalteter Garten, melodisch rhythmisch strukturiert, als tanze da einer über die Leinwände, und wagt dabei sogar ein Selbstbildnis als Rockstar, Traumbild ganz ohne Ironie, offen, unverkrampft. Und dann diese fünf quadratischen Tafeln, Zeichen der Macht, als hätte den Rockstar Peter Piek (so nennt er sich als solcher) sein Kollege Michael Knauth zur Ordnung gerufen. Die Zeichenfolge wird so erst recht zur Provokation, zwischen den unbeschwerten farbfrohen anderen Bildern. Und das soll sie auch sein, wie ein Stoppschild, das Stehenbleiben! zum Betrachter ruft. Auf dem fünften Quadrat steht Spiegel, nein nicht die Zeitschrift, ein richtiger Spiegel ist gemeint, in dem sich der Betrachter wiederfinden soll, sich in Beziehung zu setzen zu den Symbolen der Macht. Vielleicht sehen einige dann die eigentlichen Bilder des Peter Piek neu, lassen sich anstecken von dem, was jeder Macht entgegensteht, dem heiter ungebundenen Ausdruck von Leben.

Dirk Hanus ist Fotograf, er beherrscht sein Handwerk und zeigt sich jedwedem leeren Perfektionismus gegenüber unduldsam. Er will weg von oberflächigen Posen, den Mustern von Werbestrategen, will dahinter sehen, auf den Menschen, unverstellt. Um das zu erreichen, hat er während das Filmbild belichtet wird mit einem Scheinwerfer Licht über Gesichter und Körper wandern lassen. Lichtgestalten nennt er die so Abgelichteten. Diese Fotos lassen in ihren so erzeugten Unschärfen das Gestellte, Posierende verschwinden, erlauben einen anderen Zugang zu den Fotografierten. Daneben hat sich Dirk Hanus mit verfallenden Industrieruinen befaßt, sie zu Kulissen inszeniert, dem Fleisch nackter Leiber entgegengestellt. Vergehende Geschichte, lebendige Körper und rostende Maschinenteile. Mit neuesten Arbeiten besinnt er sich auf die Urform der Kamera, die Lochkamera, die noch kein Objektiv braucht und das Abgelichtete in mondänes Licht zu tauchen vermag. In diesen farbigen Landschaftspanoramen scheinen archaische Naturwelten auf, ins Märchenhaft verkehrte Sehnsuchtsräume geschichteter Zeit. Verschüttete Orte in ihm, in uns, die Dirk Hanus mit seinen Aufnahmen aufscheinen, wieder lebendig werden läßt.

Michael Goller malt und textet, textet und malt. Manchmal nebeneinander her, oft aber ineinander. Er mag der Getriebenste und Rastloseste sein unter den Querschlägern, bei dem Selbstzweifel und Höhenrausch eng beieinander liegen.
Seine Malereien sind ornamental, expressiv und erzählerisch in einem, sie mischen Comicelemente mit abstrakter Farbmagie, wollen verstören durch inhaltliche Direktheit und dabei reine Kunst bleiben. Ein realitätswacher Träumer, assoziativ Umschreibender, der Kosmen durch Poesie bannen will. So hoffen seine Bildtitel zB von der Versklavung des Schöpfers durch die Erlösung des Geistes und der Materie, was auf dem Bild wie labyrintische Verwirrung anmutet. Immer wieder werden Wörter und Sätze den Malereien eingeschrieben, meist nicht mehr zu entziffern nähern sie sich Hieroglyphen an. Verqueres Zeitrauschen, in dem sich Perspektiven verkehren, Räume durch Farbflächen verschlossen werden, Figuren und Tiere zeichenhaft irgendwo in den Bildschichten steckenbleiben, Fußtritte sich breitmachen und Hände verschwinden. Ab und an aufgeklebte, aufgemalte Din-genormte Rechtecke wie eine kühl einbrechende Gegenwart in sein schöpferisches Chaos, mit einem anderen Code der Verständigung. Doch Michael Goller bleibt erdverbunden, wie mit dem nutellaverschmierten Mund oder dem Gespräch mit Teebeutel. Ironie und Hintersinn allemal, das Poetische eher die dahinter verborgene Welt. Auf alle Fälle Malereien, die sich aus ihrer sinnlichen Substanz heraus selbst zu einem Gegenpol der kalt sentimentalen Warenästhetik machen.

Sehr irdisch sind sie, die vier Querschläger, nur verwechseln sie das nicht mit Klamauk und billiger Unterhaltung. Spaß ist auch ihnen nicht fremd, Ironie wichtig. Und 21.00 Uhr geht’s weiter, in der HECK-ART-Galerie, dort werden die vier gemeinsam ein Bild malen, zu dem jeder eine Tube seiner Lebensfarbe beisteuern wird. Was das ist, Lebensfarbe? Wir werden sehen, noch sind sie verschlossen in vier Tuben. Jeder Künstler hat seine selbst hergestellt, „Pigmente“ aus lebensnotwendigen Dingen, getrocknet, zerrieben, zermörsert, vermischt mit Bindemittel zu immer einer Lebensfarbe. Auf der Leinwand sollen sie dann miteinander ins Gehege kommen, sich mischen oder nebeneinander stehenbleiben, wie die Gruppe es auch mit dieser Ausstellung zeigt.

Dr. Ina Gille, Leipzig im Mai 2005
 

Der Anstoß wirkt – Querschlag verlängert

Junge Chemnitzer Künstlergruppe bleibt noch zwei Wochen in der Heck-Art-Galerie

Die Heck-Art-Galerie verlängert ihre Ausstellung Querschlag III bis zum 11. Juli, der Anstoß wirkt positiv nach. Was in der Sparkasse für Aufsehen sorgte und schon am Eröffnungsabend den Abbruch der Ausstellung provozierte kommt zu Ansehen.

Dabei haben die anstandlosen Objekte nun durchaus einen verschämt-versteckten Eckplatz im Heck-Art-Haus. Und es sind auch nicht einmal die hinterrücks kopulierenden Gliederpuppen der Lust-Objekt-Kunst Michael Knauths, das vorgeblich Obszöne ist die seitenverkehrte Querschlag-Konstellation von vier Signets, die Faschismus, Geld- und Gottgläubigkeit sowie Sex zusammenführend symbolisieren. Michael Goller und Peter Piek, die Maler, Dirk Hanus, Fotografie, und Michael Knauth, Konzeptkunst, haben sich vor ungefähr zwei Jahren zur Künstlergruppe Querschlag zusammengefunden um sich zu entzweien. Sie wollen sich selbst in die Haare kriegen um sich mit der Gemeinheit, anders gesagt der Gesellschaft, zu krachen: „Querschlag – geistig-visuelle Provokation auf künstlerischer Ebene“ heißt ihr Konzept der Kunst. Hat also geklappt.

Die Obhut des Vereins Kunst für Chemnitz hat andere Gründe als einen latenten Sparkassen-Skandal. Hier handelt es sich um vielversprechende Kunst in Chemnitz und gute Kunst müsste an sich immer auf Querschlag gegen den allgemeinen Trend aus sein. Gollers Bilder wie auch die des Noch-Studenten Piek sind unbändig frei gemalt. Die Berufung auf Traditionen etwa von Rodin oder Chagall bei Goller oder das Thema „Köpfe“ bei Piek entledigt sich sogleich der Last der Kunstgeschichte und stellt überlieferte Motive neu in Frage: Hier ist meine Ansicht von Faun und Nymphe, meine Gedanken in deinem Kopf.

Bei Knauth ist alles aufs Minimale reduziert – Wortstücke, Augenpaar auf großer Fläche entgegengesetzt – ein Zustand: geblieben, geben, weggelebt usw. Jene Gliederpuppen bedürfen keiner Begriffe erst, sie kontern ihren Charakter als Werbeträger, einfachste Kommunikation ohne Alternative. Rein mechanisch von Hand gegliedert, begliedert. Dirk Hanus muss mit der „Lampengalerie“ im Treppenhaus vorlieb nehmen, seine Schwarz-Weiß-Fotos versetzen die Augen ins Außerordentliche der Sehweisen, Perspektiven auf den Körper oder die Paarung mit völlig konträren Fundstücken. Was man Verfremdung nennen könnte, ist aber eher Befreundung mit der momentanen Situation des Arrangements: Nieder mit dem herkömmlichen langweiligen Akt.

Mehr ist das alles nicht, vor allem ist es nicht weniger. Es bedurfte für den Querschlag keiner Abwicklung, Dialog wäre mehr. (RL)

Der Anstoß wirkt – Querschlag verlängert (Reinhold Lindner, Freie Presse)

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