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Paintboxes - Aktion in der Heck-Art-Galerie am 26.05.
Zur Abhängung, Zensur und vorzeitigen Schließung der Ausstellung in der Sparkasse
Einführung zur Austellung von der Leipziger Kunstwissenschaftlerin Dr. Ina Gille:
Querschlag III, HECK-ART-Galerie und Sparkasse Chemnitz, Moritzhof ,
26.5.2005
Peter Piek, Michael Knauth, Dirk Hanus, Michael Goller
Das war eine öffentliche Hängung. Hatten sie sich die etwa anders vorgestellt,
spektakulärer? Sie meinen, die Künstler sind gar nicht gehangen worden, hätten
es ja zumindest spielen können… Wieder nur die Bilder und Objekte, die nun
anzusehen sind...
Spektakel, Event, das mögen die vier hier Ausstellenden nicht sonderlich und
sind dennoch nicht umhin gekommen, so was wie ein Event ironisch provokant an
den Beginn ihrer dritten Querschlagausstellung zu stellen. Indem sie mit den
Formen spielen, wollen sie provozieren, über die mit ihnen ansonsten
transportierten Inhalte neu nachzudenken.
Querschlag, klingt brachial. Klingt vielleicht ein wenig quer auch zu der
politischen Position, zu der sich Dirk Hanus, Michael Goller, Michael Knauth und
Peter Piek eigentlich zurechnen, klingt irgendwie rechts angegangen.
Wieder eine Provokation, ein Wort, das sich im Gebrauch der vier Künstler
wendet, zu changieren beginnt, sich neu, mit anderem Inhalt füllt.
Natürlich bleibt es ein Querschlagen, Wut-Haben, Aufbegehren, Umsich-Schlagen,
gegen das Leben aus zweiter Hand, den Konsumzwängen, Fernsehsüchten zu
widerstehen, die seichten Unterhaltungsgelüste zu ignorieren, sich dieser
gefilterte Wirklichkeit, vorgekaut, zu widersetzen, zu widersetzen mit Kunst.
Es sind vier Männer, - das lasse ich unkommentiert… Neben Malerei, Zeichnung,
Fotografie und Grafik schreibt es aus ihnen, es wird gedichtet und Prosa
getextet, in einer Band losgelegt. Ein richtiger Mix wird es dennoch nicht, die
Sparten bleiben relativ getrennt, die vier sprechen halt in mehreren Sprachen,
wobei die bildende Kunst die Oberhand behält. Brüche und Umbrüche sind bei ihnen
normal, Selbstschulungen, Streitgespräche mit- und gegeneinander, daran wachsen
sie. Und es gibt vom Jüngsten zum Ältesten einen Altersunterschied von fast 20
Jahren, da muss auch quer durch die Generationen einiges verbinden.
Vielleicht verbindet sie einerseits Wut, Aggression gegenüber der verheerenden
Medienmacht, die den Menschen nur noch als Konsumenten wahrnehmen kann und
andererseits Spontaneität, Offenheit allem Erleb- und Fühlbaren gegenüber.
Alles, nur nicht der schale Ersatz für Leben, sie suchen es unverfälscht in
individueller Selbstbestimmung.
Keinesfalls sind sie deshalb schon unter ein künstlerisches Dach zu stellen,
einzuhüllen oder zu verhüllen mit einem künstlerischen Programm. Mit ihren
individuellen Kunstäußerungen liegen sie fast quer zueinander, haben es jedoch
bis jetzt geschafft, sich zu ergänzen, ohne sich dabei zu erschlagen.
Es bringt auch nichts, sie auf eine Querschlag-Protestebene zu heben. Wenn es
nur das wäre, müssten sie keine Kunst machen. Bei den Werken trennen sich Wollen
und Hoffen, da spricht nur das, was sich zeigt, programmatische Sprüche,
Verkleidungen, Hüllen verdampfen schnell. Betrachten wir die Werke.
Michael Knauth ist eine Art konzeptueller Künstler, so sagt er zumindest. Er
traut der stofflichen Materialität kaum noch etwas zu, denkt seine Kunst, das
ist ihm die Hauptarbeit. Sie auszuführen eine rein technisch handwerkliche
Angelegenheit, die er überwacht, weniger mittut, da der eigentliche
künstlerische Prozess für ihn da bereits abgeschlossen ist. So sehen sie hier
auch keine Objekte, sondern Fotografische Aufnahmen von ihm gebauter Objekte.
Dennoch hat er zuvor die Prinzesschen und Prinzen aus Barbys Reich entkleidet,
sie ihrer äußeren Werbeschicht entblößt, an ihnen herumgedoktert, sie zu Ketten
gereiht, in Gruppen gefügt, andere auseinandergenommen und in hintersinnige
Objekte verwandelt. Und über die Fotokästen, die die Puppen größer zeigen, als
sie in den Spielzimmern zu finden sind, mächtiger auch, als sie so niedlich
verpackt in neueste Modekreationen scheinen, kommt eine merkwürdig faschistoide
Wirkung zustande, denn es scheint, als ginge es um Züchtung, Normierung,
Gleichschaltung. Allein die nackten gereihten Körper, gleich ob sie sich
gegenseitig in den Hintern kriechen oder der Bild-Leser ahnungslos von braunem
Samen überschwemmt wird, das mag die erzählte Geschichte sein, provozierender
erster Anreiz. Die beklemmende Wirkung geht eher von der durch die Reihung
übersteigerten „makellosen“ nackten Puppenhaftigkeit aus, einem makabren
Gleichschritt, Vermassung des Individuellen. Es geht Michael Knauth um das, was
hinter dem schönen Schein der Werbe-und Warenwelt steht, die leeren Hüllen,
hohlen Versprechungen, die sich Leben nennen und Ersatz sind. Hier kippen die
Bedeutungen, auch auf den Acrylbildern Michael Knauths, die erst einmal die
äußere Sterilität der Werbewelt aufnehmen, um sie durch eine verfremdende andere
Text-Bild Kombination ins Fragen zu verkehren.
Peter Piek hingegen ist vor allem Maler. Seine hier im Zentrum stehende Bildfolge Zeichen der Macht hebt sich von seinen anderen Malereien auffallend ab. Seine sonstigen Bilder sind situationsbedingter, wie ein Fortschreiben von schönen Zufälligkeiten, von Farbmustern und Strukturen, die Lebensfreude bedeuten, spontane Äußerungen sind, …verdammt geile Bilder, sagt er dazu. Ein zeichnend und malend gestalteter Garten, melodisch rhythmisch strukturiert, als tanze da einer über die Leinwände, und wagt dabei sogar ein Selbstbildnis als Rockstar, Traumbild ganz ohne Ironie, offen, unverkrampft. Und dann diese fünf quadratischen Tafeln, Zeichen der Macht, als hätte den Rockstar Peter Piek (so nennt er sich als solcher) sein Kollege Michael Knauth zur Ordnung gerufen. Die Zeichenfolge wird so erst recht zur Provokation, zwischen den unbeschwerten farbfrohen anderen Bildern. Und das soll sie auch sein, wie ein Stoppschild, das Stehenbleiben! zum Betrachter ruft. Auf dem fünften Quadrat steht Spiegel, nein nicht die Zeitschrift, ein richtiger Spiegel ist gemeint, in dem sich der Betrachter wiederfinden soll, sich in Beziehung zu setzen zu den Symbolen der Macht. Vielleicht sehen einige dann die eigentlichen Bilder des Peter Piek neu, lassen sich anstecken von dem, was jeder Macht entgegensteht, dem heiter ungebundenen Ausdruck von Leben.
Dirk Hanus ist Fotograf, er beherrscht sein Handwerk und zeigt sich jedwedem leeren Perfektionismus gegenüber unduldsam. Er will weg von oberflächigen Posen, den Mustern von Werbestrategen, will dahinter sehen, auf den Menschen, unverstellt. Um das zu erreichen, hat er während das Filmbild belichtet wird mit einem Scheinwerfer Licht über Gesichter und Körper wandern lassen. Lichtgestalten nennt er die so Abgelichteten. Diese Fotos lassen in ihren so erzeugten Unschärfen das Gestellte, Posierende verschwinden, erlauben einen anderen Zugang zu den Fotografierten. Daneben hat sich Dirk Hanus mit verfallenden Industrieruinen befaßt, sie zu Kulissen inszeniert, dem Fleisch nackter Leiber entgegengestellt. Vergehende Geschichte, lebendige Körper und rostende Maschinenteile. Mit neuesten Arbeiten besinnt er sich auf die Urform der Kamera, die Lochkamera, die noch kein Objektiv braucht und das Abgelichtete in mondänes Licht zu tauchen vermag. In diesen farbigen Landschaftspanoramen scheinen archaische Naturwelten auf, ins Märchenhaft verkehrte Sehnsuchtsräume geschichteter Zeit. Verschüttete Orte in ihm, in uns, die Dirk Hanus mit seinen Aufnahmen aufscheinen, wieder lebendig werden läßt.
Michael Goller malt und textet, textet und malt. Manchmal nebeneinander her, oft
aber ineinander. Er mag der Getriebenste und Rastloseste sein unter den
Querschlägern, bei dem Selbstzweifel und Höhenrausch eng beieinander liegen.
Seine Malereien sind ornamental, expressiv und erzählerisch in einem, sie
mischen Comicelemente mit abstrakter Farbmagie, wollen verstören durch
inhaltliche Direktheit und dabei reine Kunst bleiben. Ein realitätswacher
Träumer, assoziativ Umschreibender, der Kosmen durch Poesie bannen will. So
hoffen seine Bildtitel zB von der Versklavung des Schöpfers durch die Erlösung
des Geistes und der Materie, was auf dem Bild wie labyrintische Verwirrung
anmutet. Immer wieder werden Wörter und Sätze den Malereien eingeschrieben,
meist nicht mehr zu entziffern nähern sie sich Hieroglyphen an. Verqueres
Zeitrauschen, in dem sich Perspektiven verkehren, Räume durch Farbflächen
verschlossen werden, Figuren und Tiere zeichenhaft irgendwo in den Bildschichten
steckenbleiben, Fußtritte sich breitmachen und Hände verschwinden. Ab und an
aufgeklebte, aufgemalte Din-genormte Rechtecke wie eine kühl einbrechende
Gegenwart in sein schöpferisches Chaos, mit einem anderen Code der
Verständigung. Doch Michael Goller bleibt erdverbunden, wie mit dem
nutellaverschmierten Mund oder dem Gespräch mit Teebeutel. Ironie und Hintersinn
allemal, das Poetische eher die dahinter verborgene Welt. Auf alle Fälle
Malereien, die sich aus ihrer sinnlichen Substanz heraus selbst zu einem
Gegenpol der kalt sentimentalen Warenästhetik machen.
Sehr irdisch sind sie, die vier Querschläger, nur verwechseln sie das nicht mit Klamauk und billiger Unterhaltung. Spaß ist auch ihnen nicht fremd, Ironie wichtig. Und 21.00 Uhr geht’s weiter, in der HECK-ART-Galerie, dort werden die vier gemeinsam ein Bild malen, zu dem jeder eine Tube seiner Lebensfarbe beisteuern wird. Was das ist, Lebensfarbe? Wir werden sehen, noch sind sie verschlossen in vier Tuben. Jeder Künstler hat seine selbst hergestellt, „Pigmente“ aus lebensnotwendigen Dingen, getrocknet, zerrieben, zermörsert, vermischt mit Bindemittel zu immer einer Lebensfarbe. Auf der Leinwand sollen sie dann miteinander ins Gehege kommen, sich mischen oder nebeneinander stehenbleiben, wie die Gruppe es auch mit dieser Ausstellung zeigt.
Dr. Ina Gille, Leipzig im Mai 2005
Die
Heck-Art-Galerie verlängert ihre Ausstellung Querschlag III bis zum 11. Juli,
der Anstoß wirkt positiv nach. Was in der Sparkasse für Aufsehen sorgte und
schon am Eröffnungsabend den Abbruch der Ausstellung provozierte kommt zu
Ansehen.
Dabei haben die anstandlosen Objekte nun durchaus einen verschämt-versteckten
Eckplatz im Heck-Art-Haus. Und es sind auch nicht einmal die hinterrücks
kopulierenden Gliederpuppen der Lust-Objekt-Kunst Michael Knauths, das
vorgeblich Obszöne ist die seitenverkehrte Querschlag-Konstellation von vier
Signets, die Faschismus, Geld- und Gottgläubigkeit sowie Sex zusammenführend
symbolisieren. Michael Goller und Peter Piek, die Maler, Dirk Hanus,
Fotografie, und Michael Knauth, Konzeptkunst, haben sich vor ungefähr zwei
Jahren zur Künstlergruppe Querschlag zusammengefunden um sich zu entzweien. Sie
wollen sich selbst in die Haare kriegen um sich mit der Gemeinheit, anders
gesagt der Gesellschaft, zu krachen: „Querschlag – geistig-visuelle Provokation
auf künstlerischer Ebene“ heißt ihr Konzept der Kunst. Hat also geklappt.
Die Obhut des Vereins Kunst für Chemnitz hat andere Gründe als einen latenten
Sparkassen-Skandal. Hier handelt es sich um vielversprechende Kunst in Chemnitz
und gute Kunst müsste an sich immer auf Querschlag gegen den allgemeinen Trend
aus sein. Gollers Bilder wie auch die des Noch-Studenten Piek sind
unbändig frei gemalt. Die Berufung auf Traditionen etwa von Rodin oder Chagall
bei Goller oder das Thema „Köpfe“ bei Piek entledigt sich sogleich der
Last der Kunstgeschichte und stellt überlieferte Motive neu in Frage: Hier ist
meine Ansicht von Faun und Nymphe, meine Gedanken in deinem Kopf.
Bei Knauth ist alles aufs Minimale reduziert – Wortstücke, Augenpaar auf großer
Fläche entgegengesetzt – ein Zustand: geblieben, geben, weggelebt usw. Jene
Gliederpuppen bedürfen keiner Begriffe erst, sie kontern ihren Charakter als
Werbeträger, einfachste Kommunikation ohne Alternative. Rein mechanisch von Hand
gegliedert, begliedert. Dirk Hanus muss mit der „Lampengalerie“ im Treppenhaus
vorlieb nehmen, seine Schwarz-Weiß-Fotos versetzen die Augen ins
Außerordentliche der Sehweisen, Perspektiven auf den Körper oder die Paarung mit
völlig konträren Fundstücken. Was man Verfremdung nennen könnte, ist aber eher
Befreundung mit der momentanen Situation des Arrangements: Nieder mit dem
herkömmlichen langweiligen Akt.
Mehr ist das alles nicht, vor allem ist es nicht weniger. Es bedurfte für den
Querschlag keiner Abwicklung, Dialog wäre mehr. (RL)
Der Anstoß wirkt – Querschlag verlängert (Reinhold Lindner, Freie Presse)
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