Künstlergruppe Querschlag (2003-2008)

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Dirk Hanus

Dirk Hanus

Dirk Hanus ist Fotograf, er beherrscht sein Handwerk und zeigt sich jedwedem leeren Perfektionismus gegenüber unduldsam. Er will weg von oberflächigen Posen, den Mustern von Werbestrategen, will dahinter sehen, auf den Menschen, unverstellt. Um das zu erreichen, hat er während das Filmbild belichtet wird mit einem Scheinwerfer Licht über Gesichter und Körper wandern lassen. Lichtgestalten nennt er die so Abgelichteten. Diese Fotos lassen in ihren so erzeugten Unschärfen das Gestellte, Posierende verschwinden, erlauben einen anderen Zugang zu den Fotografierten. Daneben hat sich Dirk Hanus mit verfallenden Industrieruinen befaßt, sie zu Kulissen inszeniert, dem Fleisch nackter Leiber entgegengestellt. Vergehende Geschichte, lebendige Körper und rostende Maschinenteile. Mit neuesten Arbeiten besinnt er sich auf die Urform der Kamera, die Lochkamera, die noch kein Objektiv braucht und das Abgelichtete in mondänes Licht zu tauchen vermag. In diesen farbigen Landschaftspanoramen scheinen archaische Naturwelten auf, ins Märchenhaft verkehrte Sehnsuchtsräume geschichteter Zeit. Verschüttete Orte in ihm, in uns, die Dirk Hanus mit seinen Aufnahmen aufscheinen, wieder lebendig werden läßt.
Dr. Ina Gille, Leipzig im Mai 2005

Dirk Hanus Fotografie

Die Bilderflut ist Alltag. Eine Antwort darauf ist keine Zeit. Wenn der Mensch noch hinschaut, dann nur ganz kurz. Dazu muss die Botschaft schnell entschlüsselbar sein. Hier setzen auch die Bilder von Dirk Hanus an. Handwerklich perfekt, erinnern sie an die glatte Werbeästhetik unserer Tage. Doch genau in dem Moment, in dem das Auge eigentlich schon weiter will, greifen die Widerhaken dieser Serie. Das Licht ist nicht logisch. Oft unklar geführt. Unschärfen, dunkle Bereiche, offene Türen, seltsame Schränke. Überstrahlungen. Diese Irritationen finden sich wieder im Zentrum eines jeden Bildes der Serie. Im Zentrum steht, liegt, hockt der Mensch, gefangen in einer Situation, die sich dem Betrachter nicht auf den ersten Blick erschließt. Vielleicht nicht einmal auf den zweiten oder dritten. Vielleicht auch nie. Was passiert außerhalb unseres Blickfeldes, was geht über den Bildrand hinaus? Wir wissen es nicht, aber wir wollen es wissen. Und schon sind wir selbst in ihnen gefangen, in den "Inner Spaces".
Andreas Kesberger, Berlin, 2008

Dirk Hanus Fotografie

INNER SPACES. Surreale Welten - Ganz haben die fotografischen Bilder die figürlichen Darstellungen in der Malerei, der Grafik oder der Skulptur wohl nicht verdrängt, gemessen aber an den vielfältigsten figürlichen Darstellungen, wie sie das 19. Jahrhundert noch mit seinen unzähligen christlichen, mythologischen, Genre- und Historienbilder kannte, ist das Figürliche heute in diesen traditionellen Medien nur vereinzelt anzutreffen. Figürliches finden wir vor allem in der Werbung und in der Fotokunst, in der überwiegenden Mehrzahl in inszenierten Bildern. In ihrem Raffinement und ihrem Realismus sind sie den historischen Bildern inzwischen weit überlegen. Dass nur das fotografiert werden kann, was faktisch vor dem Objektiv existiert, diese Zeiten sind vorbei. Die digitale Technologie macht die szenischen Möglichkeiten inzwischen grenzenlos. Am Computer lassen sich alle nur denkbaren Szenarien generieren und dann in eine fotografisch anmutende Form übertragen.
Vor diesem Hintergrund gewinnen die von Dirk Hanus inszenierten Bilder seiner Serie „inner spaces“ Bedeutung. Denn sie weichen entschieden von unseren Seherfahrungen ab: Wir erblicken Frauen und Männer, Mädchen und Jungen, die in Räumen agieren, wie wir sie zwar kennen, doch erscheinen die Handelnden in rätselhaften und nicht eindeutigen Arrangements. Bei aller fotografischen Detailgenauigkeit und Wiedererkennbarkeit, sei es der Kleidung oder der Interieurs, also dem Vertrauten, sind es vor allem die Körperhaltungen der Personen und dann die hinsichtlich ihrer Quellen mysteriösen Beleuchtungen, die uns gleichermaßen irritieren. Mit anderen Worten, Dirk Hanus’ Inszenierungen wirken surreal. In ihrer Surrealität beziehen sie sich jedoch nicht auf die Bilder der Surrealisten der zwanziger Jahre und deren Insistieren auf den psychischen Automatismus, sondern reihen sich in die Tradition surrealer Motive ein, wie sie die Kunstgeschichte seit Jahrhunderten als Ausdruck der Fantasien und Empfindungen einzelner Künstler kennt. Insofern sind sie kunsthistorisch verankert und zeigen zugleich deutliche Bezüge zur aktuellen figurativen Fotokunst. Denken wir an Jeff Wall, der das Momenthafte der Straßenfotografie inszeniert, oder Philip-Lorca diCorcia, der seine Straßenmotive mit dem Studioblitz ausleuchtet und auf diese Weise verfremdet. In dem bewussten Inszenieren der Personen und der verfremdenden Lichtgestaltung zeigen sich methodische Parallelen, die Bildgestaltungen haben aber einen eigenen, originären Charakter.
Dirk Hanus’ Inszenierungen folgen, wie schon in seinen früheren Bildern, ganz seinen Fantasien und Intuitionen, sie sind einerseits in der Wahl der Modelle, der Räume und deren Interieurs dramaturgisch genauestens geplant und leben andererseits von spontanen Entscheidungen bei der praktischen Umsetzung. Wenn seine Bilder in der Folge in ihrem digital bearbeiteten Erscheinungsbild von der Realität abweichen, dann geschieht das in der Überzeugung, dass unser unmittelbarer Alltag wie die Fülle der medial vermittelten Ereignisse aus allen Regionen unseres Globus’ mittlerweile in einem Maße Kuriositäten und Absonderlichkeiten bereithalten, die all unsere Vorstellungen übertreffen. Soziologisch gefasst zeigt uns Dirk Hanus in seinen Licht- und Farbräumen die Welt des bürgerlichen Mittelstandes in Europa. Dass die Handelnden durchgehend allein in Innenräumen zu sehen sind, suggeriert eine gewisse Einsamkeit und Verlorenheit. Ungeachtet der körpersprachlichen Vielfalt verharren die abgebildeten Personen in quasi traumhaften oder filmischen Szenen, von denen wir nicht wissen, was davor passiert ist und was noch folgen wird. Dem Bildbetrachter obliegt es, eine eigene Geschichte zu entwickeln. Das macht die surrealen Szenen zu Quellen unserer realen Emotionen und Fantasien.
Dr. Enno Kaufhold, Berlin, 2008

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