Malfront (2003-2007)

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über Malfront

31.08.2003 Gründung und Malaktion "Schöne Grüße von der Malfront"
2003-2005 Grundstudium
23.10.2003 Fußbild
25.2./1.3./15.6.2004 Dunkelbilder
8.10./20.10.2005 Vordiplomverteidigung
2005/2006 Zwischenstudium / dialogische Bildserie "Puppenspieler"
23.10.2005 Buchpremiere des Art-Fiction-Romans "Das Malbuch"
13.11.2005 Ausstellung Voxxx-Galerie Chemnitz
2006/2007 Hauptstudium
28.03.2007 Diplomverteidigung
21.04.2007 Auflösung der Künstlerinitiative Malfront
Juli 2007 Malfront Retrospektive Galerie Lurago (CZ)
November 2007 Malfront Retrospektive Galerie Szyb Wilson (PL)

Interview zur Gründung der Künstlerinitiative Malfront August 2003

Ein Jahr Malfront-Grundstudium: Trimesterabschlussbericht November 2004

Malfront-Vordiplom: Bilanz zum Grundstudium Oktober 2005

Abschluss des Zwischenstudiums August 2006

Zur Auflösung von Malfront im April 2007

weitere Statements

Kommentare zu Malfront
 



Fragen von Mike Wassermann an Michael Goller und Peter Piek zur Neugründung der unabhängigen Künstlerinitiative Malfront (Malfront-Interview)

MW:
MALFRONT – Was ist das?
PP:
Malfront, das ist Malerei.
Und Malerei, das ist Leben.
MG:
...Leben in einer sehr intensiven Form, durch Malerei transformiert.
MW:
Malerei ist der eine wesentliche Punkt. Und wo verläuft die Front?
PP:
Die Front verläuft einerseits zwischen uns und der Leinwand, andererseits aber auch zwischen der Leinwand und dem Betrachter.
MG:
Die Front verläuft immer ganz vorn, direkt am Leben. Oft wird die Front überhaupt nicht wahrgenommen, da es – sicher auch durch die Erwartung an Medien – zu einer Zuschüttung der Sensibilität für Malerei gekommen ist.
Malfront will entschütten, denn die Malerei ist kein bloßes Medium und kein bloßer Inhalt, sondern steht vor allem auch für sich allein, eine eigenständige Seinsform, die, wie wir glauben, an der Front sich befindet...
MW:
Warum Malfront und warum gerade jetzt?
PP:
Die Zeit ist reif für Malfront.
Es braucht einen neuen Gedanken für die Malerei.
Und die Malerei braucht eine erneute Befreiung von Malerei.
Ein Kind dieser Zeit.
MG:
Maler an die Front!
MW:
Was unterscheidet eure Arbeit von anderen Standpunkten zeitgleicher Malerei?
PP:
Unsere Arbeiten sind Seele.
Der Ausdruck von Befindlichkeit. Und eben Leben.
Viele unserer Zeitgenossen sind meines Erachtens nach ungeheuer verkrampft. Viele benutzen Malerei als Datenträger für sinnloses Gepampel. Damit wird die Malerei vergewaltigt.
Das heißt, ich fühle viele zeitgenössische Werke als nicht unserer Zeit entsprechend, das ist bei Malfront anders.
MG:
Die Eigenständigkeit des Ausdrucks ist ein gemeinsames Ziel. Natürlich gibt es immer Traditionen, sehr starke sogar, die sollen keineswegs negiert werden, vielmehr erscheint es uns wichtig, neue Spielregeln für die Malerei zu erkennen, ja sogar neu zu erfinden…
MW:
Beide geltet ihr bisher als Quasi-Außenseiter bezogen auf etablierte Kunstströmungen, als Enfant terrible in akademischen Hierarchien und als Querschläger im Kunstbetrieb. Wie geht ihr damit um?
PP:
Es ist in der Tat nicht leicht als Enfant terrible. Eine Zeit habe ich gebraucht, Um das zu verarbeiten. Sehr bitter. Aber es bestärkt mich auch. und zeigt mir, daß Malfront wichtig ist und wichtig wird. Malfront ist die Befreiung.
Inzwischen fasse ich es als Kompliment auf, mit meiner Malerei zwischen unfreien, starren, unbewegten und ängstlichen Kunsterstickern unangenehm aufzufallen.
Wohlbemerkt störe ich mit meiner Malerei. Und mit nichts sonst...
MG:
Die Eigenständigkeit ist ein wichtiges und verheißendes Gut. Die Kunstströmung strömt, wo Platz ist zum strömen und der Strom ist letztlich eine verdichtete Masse. Das sagt doch nichts über die Zusammensetzung des Wassers aus…
MW:
Hand aufs Herz, findet ihr eure Bilder gut?
MG:
Logisch.
...ich finde sie zunächst mal notwendig, als Aufzeigen und Lösen von Problemen, die sonst nicht gesehen werden.
...und als Seinsform, die nur dank des Schaffensprozesses existiert.
PP: (führt die Hand zum Herz)
Ja! Die Bilder sind gut!
MW:
Wann sind die Bilder besonders gut?
MG:
Besonders gute Bilder sind die, welche sich Unbekanntem stellen, von ständigem Scheitern bedroht sind und sich aus der existentiellen Verzweiflung heraus aufrichten und losfliegen…
Übrigens gute Bilder können in allen Lebenslagen entstehen, objektive Kriterien sind mir nicht bekannt.
...oder ich habe versucht, sie als überflüssig zu vergessen...
PP:
Ein Bild ist dann richtig gut, wenn es zeitlos, und doch in der Zeit ist.
Wenn man aus dem Bild lernen kann.
Wenn es Fragen hat, die faszinieren.
MW:
Zur Lösung welcher Probleme ist die Malerei eurer Meinung nach fähig.
PP:
Die Malerei hat solange es sie gibt nicht wirklich etwas verändert. Ich spüre allerdings daß mir die Malerei Kraft gibt. Die Malerei heilt mich.
Und es ist unsere Verantwortung, den Menschen die Möglichkeit zu geben sich an der Malerei heilen zu können. Ich würde mir wünschen, daß mehr Menschen diese Möglichkeit erkennen und nutzen würden.
Das wäre wundervoll.
MG:
Um diese ihr gemäße Wirkung zu erreichen, muß die Malerei vor allem als Malerei gesehen werden
...und nicht als Transportmedium für Inhalte aller Art oder als Inhalt zur Füllung der Transportmedien.
...deshalb ist es unumgänglich, die volle Gültigkeit dieser verantwortungsvollen und komplexen Seinsform zu akzeptieren...
Malerei ist eben vor allem Malerei.
MW:
Seht ihr die Gefahr, als Maler durch den Filter bekannter Maler-Klischees betrachtet zu werden?
PP:
Über so etwas mache ich mir keine Gedanken.
Zum Teufel mit den Klischees.
MG:
...!
MW:
Mit nur zwei Künstlern gibt sich Malfront sehr elitär. Denkt Ihr künftig an eine personelle Erweiterung?
MG:
Malfront ist offen für die Zukunft und durch keine Satzung oder ähnliches eingeschränkt. Wir sind kein Verein oder sonstige Institution sondern eine Initiative, die sich auf privatem Engagement und Visionen gründet, da ist viel möglich.
PP:
Einen großen Zufall wird es wohl brauchen, um Malfront zu erweitern, was ich prinzipiell begrüße.
MW:
Ihr glaubt an die Wirkung eurer Malerei. Wie wollt ihr es schaffen, daß andere Menschen daran glauben?
PP:
Ja, wir glauben an unsere Malerei. Und ich bin davon überzeugt, daß dieser Glaube früher oder später ein große Zahl von Menschen erreichen und bereichern wird. Da mache ich mir keine Sorgen.
MG:
Malen. Malen. Malen.
PP:
Genau!
MW:
Zur Gründungsausstellung am 31. August: Mit dieser ersten Ausstellung und Aktion mit dem Titel „Schöne Grüße von der Malfront“ tretet ihr erstmalig in der Öffentlichkeit als Malfront in Erscheinung. Die Bilder der Ausstellung sollen alle an einem Tag entstehen. Steht bei einer solchen Malaktion nicht zu sehr der reine physische Prozeß im Vordergrund und wirkt das nicht etwas unernst?
PP:
Nein.
die physische Beanspruchung und Belastung, die zweifelsohne entstehen werden sind ein Teilaspekt. Eine neue Erfahrung. Denn über einen Zeitraum von einem Tag konzentriert zu malen. Das haben wir beide noch nie versucht.
Eine Herausforderung.
Denn gewöhnlich ist man nach einem höchsten zwei Bildern schon sehr geschafft. Aber im Vordergrund soll und wird das Malen stehen. Nicht unsere Physis.
Wir haben deswegen bewußt entschieden, den Besuchern den Zutritt zu der Aktion zu verwehren.
Eine Entscheidung für das Malen, und die Bilder.
MG:
Die Schnelligkeit der Ausführung (übrigens nur eine scheinbare, die Vorarbeiten im Kopf haben längst begonnen) setzt den zeitlichen Rahmen für die Malaktion und betont gerade die Verantwortlichkeit für die Malerei - daß nämlich der Prozeß eine konzentrierte Aussage ermöglichen soll und keine Materialvernichtungsschlacht ist. Wir setzen keine Superlative, wie "so und so viel Quadratmeter Leinwand in so und so viel Stunden". Darum geht es nicht, das mögen andere tun.
Wir nehmen Malerei ernst.
Wir glauben an die Bedeutung von Malerei.
Malerei bedeutet.
Was sie bedeutet, daß ist herauszufinden oder vielmehr herauszumalen...
MW:
Wo soll’s in Zukunft hingehen?
PP:
Wir werden einfach geile Bilder malen..
Man wird nicht an uns vorbeikommen.
MG:
Die Malfront-Zukunft wird allen Betrachtern ein glückliches und erfülltes Leben bringen.

Chemnitz, 4./5.August 2003

Fragen von Mike Wassermann an Michael Goller und Peter Piek zum einjährigen Bestehen der unabhängigen Künstlerinitiative Malfront (Malfront-Trimesterabschluss-Bericht I)

MW:
Ein Jahr Malfront-Studium. Was hat es gebracht?
PP:
Unglaublich viel! Jedes einzelne Trimester war eine Herausforderung und ist eine nachhaltige Bereicherung geworden.
MW:
Was ist eigentlich ein Trimester?
MG:
Ein Trimester ist ein zeitlicher Abschnitt innerhalb des Malfront-Studiums. Ein Vierteljahr lang bearbeiten wir ein bestimmtes Thema. Dadurch sollen drängende Fragen malerisch ausgelotet werden und die persönliche künstlerische Entwicklung katalysiert werden.
MW:
Ein Vierteljahr malt ihr jeweils Bilder zu einem vorgegebenen Thema. Ist das nicht eher eine Einschränkung der natürlichen künstlerischen Entwicklung?
PP:
Nein. Die Trimesterthemen werden nach langer Vorüberlegung sehr bewusst ausgewählt. Erstaunlich war es, dass wir uns immer einig waren, und zur selben Zeit die selben Aufgaben für sinnvoll hielten. Außerdem ist es natürlich an jedem, auch während des Trimesters noch trimesterunabhängige Bilder zu schaffen. Allerdings mit Ausnahme des Schwarzweiß-Trimesters, wo es uns darauf ankam über einen Zeitraum von einem Vierteljahr nur mit Schwarz, Weiß und Grau zu malen. Damit wollten wir eine mögliche Flucht zur Farbe unterbinden. Wir handhaben das sehr individuell.
MW:
Schwarz-Weiß-Trimester? Welche Trimester gab es eigentlich seit der Gründung von Malfront im August 2003?
MG:
Selbstbildnis-Trimester, Hässlich-Trimester, Schwarzweiß-Trimester, Gestisch-Trimester, Kopier-Trimester. Das ist das aktuelle.
MW:
Das hört sich an, wie eine wahllose Aneinanderreihung von zufällig gewählten Aufgaben. Wie passt das alles zueinander?
PP:
Das Trimesterstudium ist ja nicht der Anfang unseres Schaffens. Es setzt vielmehr eine künstlerische Entwicklung voraus und ist genau und ich muss sagen perfekt auf uns abgestimmt. Ein Studium, was man so nirgends bekommt. Jedenfalls nicht, dass ich wüsste.
MW:
Worum ging es im Selbstbildnis-Trimester?
PP:
Zielsetzung war eine Serie kleinformatiger Bilder. Das Format ungefähr vorgegeben. Ansonsten gab es keine Satzung, was einen spielerischen Umgang ermöglichte.
MG:
Selbstbildnis und Format (etwa 40 x 30) waren Bedingung. Und eine Serie zu entwickeln. Selbsterkenntnis darüber war das erste Malfront-Trimesterziel. Bei Peter entstand eine Serie von 14 Gemälden, die verschiedene Persönlichkeitsschichten reflektierten: „Selbstbildnis als Indianer“, „Selbstbildnis als Schmetterling“, „Selbstbildnis als Mörder“ und andere. Bei mir waren drei Serie von je drei bis fünf Bildern das Ergebnis: „Selbstbildnis mit Kopfhörer“, „Selbstbildnis mit Staffelei“ und „Selbstbildnis mit rot“.
MW:
Ist die Selbsterkenntnis greifbar geworden?
PP:
Naja. Es war eine Beschäftigung mit mir, die gut getan hat und wichtig war. Ich hatte mir überlegt, was ich alles bin oder auch sein könnte. So entstanden dann unter anderem „Selbstbildnis als Kind“, „Selbstbildnis als Ikone“, „Selbstbildnis als Maler“. Das letzte war „Selbstbildnis als Mensch“, vielleicht auch das ehrlichste Bild.
MW:
Was ist malerisch passiert?
MG:
Ich habe die Zeichnung noch separater behandelt, so das Zeichnung und Farbflächen in völlig unterschiedlichen Schichten lebten. Dadurch die Zeichnung mehr für sich stehen lassen. Insgesamt sind dann die Arbeiten immer lockerer geworden gegen Ende einer Serie. Auch dass die Serie eigene Entwicklungsstufen durchläuft. Und bei mir kam heraus, das nach etwa fünf Bildern die Serie sich malerisch erschöpft und ein weiterarbeiten nur noch Methode wäre.
PP:
Bei mir hat eine sehr dynamische Entwicklung in der Serie eingesetzt. So ein wenig wie eine quadratische Funktion.
MG:
Peters Bilder sind gegen Ende immer pastoser und dichter geworden. Am Abschluss des Trimesters haben wir ein Bild getauscht. Jeder konnte sich aus den Bildern des anderen das jeweils beste Bild heraussuchen. Eine sehr subjektive Entscheidung. Dabei habe ich „Selbstbildnis als Rockstar“ gewählt, ein neongelb leuchtendes Bild mit betont klarer Linie, was etwa aus der Mitte der Gesamtserie stammt.
MW:
Ihr habt die eurer Meinung nach besten Bilder getauscht. Das war sicher nicht leicht, sich von seinem besten Bild zu trennen.
PP:
Oh nein, das war eine harte Sache. Aber ich bin froh, dass ich jetzt einen Goller habe. Und dazu ein Selbstporträt. Es hat einen guten Platz in meinem Atelier bekommen. Oft stehe ich eine Weile davor. Aber ich hänge natürlich sehr an meinen Bilder, so dass es natürlich hart war. Allerdings habe ich ja noch dreizehn. Nein zwölf.
MW:
Gab es eine Ausstellung?
MG:
Ja, es gab eine Trimester-Abschlussausstellung in Leipzig. Dazu haben wir als Gastkünstlerin Uta Schotten aus Köln eingeladen, eine Malerin der Düsseldorfer Schule, die fast ausschließlich Selbstbildnisse in ihren Werken thematisiert. Leider mussten alle ausgestellten Arbeiten bei Kerzenlicht betrachtet werden, da in den Ausstellungsräumen kein elektrisches Licht vorhanden war. Dirk Hanus hat die Ausstellung übrigens dokumentiert.
PP:
Wichtig im ersten Trimester war das Thema Serie als solches zu behandeln. Herauszufinden, inwieweit die Serie nützlich oder unnütz sein können. Hierzu gibt es auch ein Statement von Michael.
MW:
Was war dann das nächste Trimester?
MG:
Im nächsten Trimester ging es darum, hässlich zu malen.
MW:
Warum?
MG:
Um die innere Grenze zu überwinden.
PP:
Um frei zu werden, vom Wollen.
MG:
Um bewusst so zu malen, wie man sonst bewusst nicht malt.
MW:
Hat das geklappt?
PP:
Ja. und Nein.
MW:
?
PP:
Ja in der erreichten Befreiung. Nein, weil es uns nicht gelungen ist, hässlich zu malen. Im Gegenteil. Es sind sehr schöne Bilder geworden. Aber Schönheit ist Geschmack und darüber streitet man nicht. Darum ging es auch nicht unbedingt. Vielleicht ist das Wahre das Schöne. Und wir sind keine Lügner.
MG:
Das Ergebnis ist der Verzicht auf die Kategorien Schön und Hässlich. Also eine Befreiung. Das Malerische liegt nicht im Schönen und nicht im Hässlichen. Das war ein sehr wichtiger Innerer Prozess. Also auf alle Fälle eine Befreiung. Denn die Bilder, die im Laufe des Hässlichtrimesters entstanden sind, sind alle sehr malerisch geworden.
MW:
Mit welchen Mitteln habt ihr versucht, das Hässliche zu erreichen?
PP:
Eigentlich mit allen. Deformation. Benutzung von Grausigsten Farbkombinationen. Geschmiere. Gesabber. Es hat alles nicht zum Hässlichen geführt. Im Gegenteil. Jetzt gibt es für mich keine hässlichen Farbkombinationen mehr, was die Farbe in unserer Malerei erheblich befreit hat.
MW:
Wie haben eure Mitmenschen darauf reagiert?
MG:
Mit Unverständnis. Es ist schwer zu vermitteln. Allerdings wurden von einigen die betont malerischen Ergebnisse beachtet. Die Meisten zuckten mit den Schultern. Ich würde nicht soweit gehen, dass wir seitdem keine Freund mehr haben, aber die Einsamkeit unseres Standpunkts wurde schon deutlich spürbar, am meisten unter Künstlerkollegen.
PP:
Jo
MW:
Es gab auch eine Ausstellung im Regierungspräsidium. Hier ist das Plakat: „untrockene Bilder“ in der die Ergebnisse des Hässlichtrimesters vorgestellt worden. Wie reagierte die Öffentlichkeit?
PP:
Die Besucher haben sich wie mir schien sehr angeregt über die Bilder unterhalten. Allerdings wurde das Thema Hässlich scheinbar übergangen. Damit konnte niemand, den ich kenne etwas anfangen. Mal von Michael abgesehen. Wir hatten zur Ausstellung und zum Trimester den Frankfurter Künstler Henning Straßburger eingeladen, der mit einem einer seiner pornografischen Bilder fast einen kleinen Skandal auslöste.
MW:
Frustration?
MG:
Keineswegs. Es ging um Grenzüberschreitung und Erkenntnis. Da hat sich viel
bewegt.
MW:
Habt ihr diesmal auch ein Bild getauscht?
PP:
Nein. Wir haben jeweils von dem anderen eine Zeichnung aus dieser Zeit. Ich hätte gerne eine kleine Goller Sammlung. Aber bis jetzt ist es bei einem getauschten Bild geblieben. Man braucht Kapital.
MW:
Hat das Hässlich-Trimester in die Zukunft gewirkt?
MG:
Unbedingt! Der Transformationsprozess der Wahrnehmung ist geblieben, worüber ich sehr froh bin. Also die Akzeptanz des Hässlichen ist geblieben und das bereichert jedes Bild, was bis heute und wohl auch in Zukunft entsteht.
MW:
Was kam nach den „hässlichen“ Bildern?
PP:
Das Schwarzweiß-Trimester schloss sich im Frühjahr an.
MG:
Wir wollten wie schon beim Hässlich-Trimester auf etwas uns beiden Wichtiges bewusst verzichten – die Farbe – und die Bilder nur mit schwarz und weiß malen. Ziel war es, herauszufinden, ob trotzdem malerische Bilder möglich sind.
MW:
Sind sie das?
MG:
Und ob.
PP:
Sehr malerisch sogar. Ich wollte immer schon mal schwarzweiß malen. Obwohl es hart war. Da mir Farbe sehr sehr wichtig ist. Gerade strukturell hat es meine Entwicklung stark beschleunigt. Grau war für mich immer das „böse“ Grau. Doch es ist Farbe. Absolut!
MW:
Die Idee, schwarzweiß zu malen, ist nun überhaupt nichts Neues. Das machen viele andere Maler auch.
MG:
Für uns ist es aber eine bewusste Einschränkung, um die Position des in unserer Malerei wichtigen Bedeutungsträgers Farbe besser kennen zulernen. Und ein Aufbrechen der eigenen Wahrnehmung, eine Art Selbstüberwindung.
PP:
Es geht nicht um Andere, sondern um Malerei. Und da muss man sehen, wie man weiterkommt. Dies ist unbedingt erreicht worden. Seitdem malen wir sehr oft mit
grau.
Was ungeheuer bereichert hat.
MW:
Tatsächlich ist das in euren neueren Arbeiten zu sehen. Wie ging es danach weiter?
MG:
Mit dem Gestisch-Trimester im Sommer. Eigentlich fing das Gestisch-Trimester schon eher an, mit dem ersten Dunkelbild.
MW:
Das war die Aktion mit den Augenklappen. Oder? Ich erinnere mich noch an einen Zeitungsartikel.
PP:
Ja, der Artikel hat großes Interesse erweckt. Es war auch eine sehr außergewöhnlich Aktion.
MG:
Wir wollten ja eine möglichst reine Bewegung aufs Bild projizieren. Das wesentliche Hindernis dabei ist die visuelle Wahrnehmung, die optische Kontrolle mittels der Augen, die den reinen Gestus korrigiert, ja sogar behindert. Also unterbanden wir bei der ersten Dunkelbild-Aktion diese optische Rückkopplung. Zuerst malten wir ein Bild im Dunkeln und später dann mit Augenklappen, um eben die absolute Dunkelheit zu erzielen. In weiteren Aktionen, wie zur Museumsnacht oder bei der Dunkelkammer, wo wir blind einen ganzen Raum ausmalten, näherten wir uns einem absoluten Gestus an. Ja. So sehr, dass der reine Gestus in den Einzelbildern seither mit präsent ist, auch ohne Augenklappen. Im letzten Jahr gab es übrigens schon eine Menge experimentelle Arbeiten in der Richtung, wie das Fußbild oder zahlreiche Zeichnungen und Bildteile, die blind gemalt wurden. Erst nach diesen Aktionen schien irgendwie die Zeit reif für ein Gestisch-Trimester, was in den Einzelbildern die Erkenntnisse mit aufnimmt.
MW:
Das Fußbild und die Dunkelbilder waren in der Öffentlichkeit sehr stark diskutiert worden. Welche Ergebnisse sind als Einzelbilder entstanden?
PP:
Wir haben viel aus den Dunkelbildern gelernt. Dass hat uns in Bezug auf unseren eigenen Bilder sehr geholfen. Ich meinen eigenen Arbeiten habe ich mich allmählich zum reinen Gestus vorgearbeitet. Von „fliegenden Blumen“ über eine Reihe von Gestischen Bildern aus der Reihe „Zwei Köpfe“ hin zu Bildern, mit reinem Gestuss, den ich in Nr.:25 und Nr.:26 auch ohne Augenklappen erreichte. Ja zum Schluss war es auch ohne Augenklappen möglich zu malen ohne bewusst zu schauen. Es war eher so wie: aha hier ist die Leinwand – dann drauf mit der Farbe.
MW:
Gab es einen Trimester-Abschluss?
MG:
Als letzte Aktion fand „Wer zuerst kommt malt zuerst statt“. Auf eine Insel schwimmen, dort mit Farbe einreiben, also mit Eimern übergießen und auf eine große auf dem Boden liegende Leinwand abdrücken. Die seitdem entstandenen Einzelbilder profitieren alle von dem Gestisch-Trimester.
MW:
Wie würdet ihr das erste Trimesterjahr bilanzieren?
MG:
Schön, dass die Malerei und die damit verbundene künstlerische Entwicklung im Mittelpunkt stand. Damit wird es weitergehen. Die Bilanz ist, was die entstandenen Bilder anbetrifft, überraschend. Dass Malfront wesentlich zur malerischen Entwicklung beitragen kann.
MW:
Wie viele Trimester wird es noch geben, wann und wie wird das Malfront-Trimester-Studium abgeschlossen sein?
MG:
Es gibt konkrete Themen für die nächsten vier Trimester, danach ist alles offen. Auch der zeitliche Tausch der Trimester ist bis Trimesterbeginn noch möglich. Ebenso offen ist, wann ein Vordiplom an der Zeit ist, das kann nach acht Trimestern sein, vielleicht auch erst nach sechzehn. Wer weiß. Danach kommt erst das Trimester-Hauptstudium, wenn die für uns wichtigsten Themen bewusst bearbeitet sind.
MW:
Wie wird dann das Hauptstudium aussehen?
PP:
Das wird sich ergeben.
MW:
Nun, didaktische Arbeitspläne sind an sich ja nichts Neues. Was soll denn bei eurem Studium das Neue sein?
PP:
Es geht nicht um das Neue an sich. Es geht um Malerei. Ob dabei etwas Neues entsteht und was es ist, das lässt sich noch nicht genau sagen. Allerdings denke ich, dass es etwas Neues ist.
MG:
Das Neue offenbart sich erst durch die Arbeit.
MW:
Aus den vorherigen entnehme ich, dass es einen Abschluss geben könnte. Ein Malfront-Diplom sozusagen. Welchen Stellenwert hätte das, also wie legitimiert ihr diesen Abschluss?
MG:
Es geht nicht um Legitimation, sondern um das Studium.
PP:
Mike. Schau dir die Bilder an, und schau sie dir lange und in Ruhe an, und du wirst feststellen, dass unsere Bilder nur sich selbst und sonst keine Legitimation brauchen.
MW:
Können Außenstehende am Trimesterstudium teilnehmen?
PP:
Ja. Man kann sich bewerben. Teilweise gehen wir sogar auf Künstler, die wir schätzen zu. Fragen diese ob sie Lust hätten, an bestimmten Trimestern als Gastkünstler teilzunehmen.
MW:
Vielen Dank für das Gespräch.

Chemnitz, 28.11.2004

Mai 2005: Nachtrag zum Trimesterabschlussbericht:

MW:
In Bezugnahme auf euer Ausstellung im Voxxx, die ihr gerade vorbereitet, möchte ich gern noch einmal näher auf das Fußbild eingehen, was immerhin den Hauptteil der Ausstellungskonzeption bildet. Welchen Stellenwert hat das Fußbild für den nun schon zwei Jahre dauernden Malfront-Dialog?
Malfront:
Tja. Keine Ahnung. Wir haben noch wenig darüber geschrieben bis zum jetzigen Zeitpunkt. Das liegt eben daran. Ich kann es nicht sagen. Es ist noch zu wenig erforscht. Innerlich, meine ich.
Naja, aber es war das erste Malfront-Aktionsbild. Insofern hat es eine hohe Bedeutung.
MW:
Wie seid ihr auf die Idee gekommen?
Malfront:
Die Idee zum Fußbild kam während des Malens zur Gründung von Malfront.
MW:
Das war ja "Schöne Grüße von der Malfront".
Malfront:
Ja, genau.
MW:
Das Fußbild ist also aus der künstlerischen Arbeit heraus entstanden. Wie hat es das nachfolgende Werk beeinflusst?
Malfront:
Das Fußbild war ein Forschen. Ein Schauen, was dabei herauskommt. Es hat zu einer persönlichen Entwicklung beigetragen. Als wir das fertige Fußbild nach dem Malen das erste Mal an die Wand hingen und es komplett sahen, wussten wir nicht, ob es gut war: Wir wussten nichts mehr. Es war überhaupt nicht einzuordnen. Aber es hat andere Sachen losgetreten. Die Dunkelkammer und die Dunkelbilder sind erst durch das Fußbild möglich geworden. Es hat zum Hässlich-Mal-Trimester geführt und beispielsweise Michaels A4-Bilder und Peters spätere Nummernbilder hinsichtlich der Fläche stark beeinflusst.
Der Kompositionszwang fiel dadurch weg. Das Fußbild war die Befreiung von der Diktatur der Gestaltung im Bild. Also. Ungeheuer bedeutend.

Fragen von Mike Wassermann zum Abschluss des Malfront-Grundstudiums (Trimester Abschlussbericht II)

MW:
Letzte Woche war die Verteidigung der Malfront-Vordiplom-Bilder. Wie kann man sich das vorstellen?
PP:
Ja. Das lief sehr klassisch ab. Das Bild wurde der Prüfungskommission vorgestellt. Darauf hin folgten Fragen. Versucht wurde das Bild zu verreißen, was schwer war. Ziel war im Gespräch in lockerer Form auf unsichtbare Teile des Bildes hinzuarbeiten. Weiterkommen quasi. Dem Eisberg ein Stück mehr unter den Rock schauen.
MW:
Das Malfront-Vordiplom stellt, wie ihr sagt, nun den Abschluss des Grundstudiums mit den vierteljährlichen Themenaufgaben dar. Was waren die Themen des Grundstudiums?
MG:
Nach den ersten vier Trimestern (siehe Trimesterabsschlussbericht I) folgte das Kopiertrimester. Hier bestand die Aufgabe darin, Bilder der Kunstgeschichte auszuwählen und mit eignen Mitteln zu interpretieren.
MW:
Welche waren das?
MG:
Ich habe ein Bild von Marc Chagall ausgewählt „Über den Dächern“, zwei Köpfe von Amedeo Modigliani und „mechanische Elemente“ von Fernand Leger. Die Bilder habe ich dann in ungefähr den gleichen Originalformaten umgesetzt, um auch von der Struktur zu lernen.
MW:
Hat das Kopiertrimester nicht eher die eigene Handschrift eingeschränkt?
PP: Nein. Nein. Kein technisches Kopieren, sondern ein interpretieren. Im Gegenteil diente es einer Bewusstmachung
Der eigenen Merkmale. Herausforderung war es dann beides zu verbinden. Ich wählte einen Kirchner (Fränzi vor geschnitztem Stuhl) und legte eine Rhythmusebene darunter.
Das Ergebnis sollte zwei Dinge zum Ausdruck bringen. In diesem Fall: du schaust dir das Bild an und stellst fest das es ein von Piek interpretierter Kirchner ist.
MW:
Nach welchen Kriterien habt ihr die Vorlagen ausgewählt?
PP: die Kriterien waren völlig frei. Es gab keine. Man hätte völlig uneingeschränkt alles nehmen können. Ausgewählt haben wir dann nach unseren persönlichen Interessen. Bei mir entstanden noch vier Bilder von Aleksey von Jawlensky mit mystischen Köpfen und Heilandsgesichtern. Bilder wo ich mich sehr hingezogen fühle. Wo ich mir sicher war, dass Sie mir etwas sagen wollen und mich weiterbringen. Ein großes Bild von Kandinsky. Außerdem eher Gedanken und Ideenkopien: also Interpretieren von Bildauffassungen von Picasso, Newman, Gruppe Kobra, Mondrian und auch von dem Nichtmaler Rodin. Chagall hätte ich auch gern gemacht, aber das hat Michael übernommen, und ich kann mir das Bild anschauen.
MW:
Was hat euch Das Kopieren und Interpretieren gebracht
MG:
Eine erhöhte Wertschätzung der interpretierten Kunstwerke.
PP:
Bei Jawlensky und Kirchner hab ich viel über Farben gelernt. Außerdem versuchte ich den Heiligen Aspekt in den Bildern Jawlenskys für mich eigen zu machen. Über Newman und Mondrian bin ich zu den geteilten weiß und natur Untergründen gekommen mit denen ich seit zwei Monaten experimentiere. Hat also ein Jahr gedauert bis es angekommen ist.
MW:
Wie kam es zu der Idee, mit einem „Plakativ-Trimester“ weiterzumachen?
MG:
Dass unsere Bilder einen plakativen Aspekt besitzen, haben wir beide durch Betrachtermeinungen erfahren. Das war nun der Anlass, nach dem Plakativen an sich in den Bildern zu suchen.
MW:
Und, habt ihr es gefunden?
PP:
Naja. Sagen wir, wir sind der Sache deutlich näher gekommen.
MG:
Für mich war das Ergebnis irgendwie überraschend, da diese Plakativ-Bilder nicht weit entfernt von meiner zentralen Bildauffassung liegen, als Serie sich gar nicht vom restlichen Werk abgrenzen.
PP:
Ich weiß überhaupt nicht mehr, was ich beim Plakativtrimester überhaupt gemalt habe. Wirklich nicht. Und das ist schon krass. Bedeutet aber das alle meine Bilder im gewissen Grade plakativ sind. Das Trimester hat eher die typischen Seiten meiner Malerei verstärkt. Mir sind gerade zwei Bilder aus der Zeit eingefallen. Da hängen sie.
MW:
Ah, ja, sie sind sehr rhythmisch. Eigentlich sehr typisch.
MG:
Das plakativmalen hat dann auch zu maltechnischen Experimenten geführt. Peter hat seitdem auf Naturgründen gemalt und ich habe angefangen, die Leinwände grau zu grundieren.
MW:
Als letztes Trimesterthema kam dann „Fotografien als Vorlage“. Eigentlich unerwartet für Künstler, die gerade das gestische an der Malerei betonen?
PP:
Ja sehr unerwartet. Das ist eine Sache, die ich im Grunde ablehne (siehe Text: über Zeit in der Malerei). Ich hab mich ein wenig dazu zwingen müssen. Es hat dann mit pornografischen Motiven funktioniert. Wenn man etwas ablehnt sollte man es trotzdem untersuchen, um zu erfahren warum man es ablehnt und um seine Meinung zu konkretisieren und zu schärfen.
MG:
Die Herausforderung bestand darin, eine Position zur Fotografie zu finden. Ich bin im ersten Ansatz eher gescheitert. Da hatte ich Fotos quasi malerisch umgesetzt, Fotos aus dem dritten Reich vor allem. Dann kam ein Umkehrpunkt und die letztlich entstandenen Trimesterbilder, betonen nicht das Thema sondern Zitieren eher das Fotografische in Ausschnitten.
MW:
Das sind dann diese Landschaften mit den Zeichnungen nach den Barbieobjekten. (zeigt auf eine Serie kleiner Bilder mit horizontalen grün und blauen Strichen, die Zeichnungen wie Mengentext umfließen)
MG:
Genau.
MW:
Wie ging bei dir (zu Peter) der Kampf zwischen dem Malerischen und dem Thema aus?
PP:
Hmm. Es war ganz gut. Das Thema hat Spaß gemacht. Vor allem das Aussuchen der Fotos im Internet. Die hab ich dann in der Hochschule ausgedruckt. Zu irgendwas muss sie ja gut sein. Es war eher ein Kampf mit der Langeweile. Nur mit Pornografie war es möglich diese zeitweise zu unterbinden. Ist dann aber doch recht schnell aufgetreten. Fotos sind einfach. Zu einfach als ob sie dauerhaft eine Herausforderung darstellen könnten.
MW:
Wie haben die Betrachter reagiert?
PP:
In Berlin waren Plakativtrimesterbilder ausgestellt. Die Leute fanden es gut. Wie gesagt es ist einfach. Das mögen die Leute wohl.
MW:
Dann war das Vordiplomtrimester an der Reihe. Nach zwei Jahren Malfront-Studium. Was wurde als Vordiplom gefordert?
MG:
Ein Bild. Ein einziges Bild, welches die Erkenntnisse des Grundstudiums aufnimmt.
MW:
Welches Bild habt ihr jeweils ausgewählt?
MG:
Ich habe „Das Merkurische Jahr“ gewählt, und darauf auch hingearbeitet.
PP:
Mein Vordiplombild ist das „Rhythmischer Kopf mit gelben und blauen Spritzern“ Bild.
MW:
An dieser Stelle nochmal Glückwunsch zum erfolgreich verteidigten Vordiplom. Welchen Stellenwert besitzt dieses Malfront-Vordiplom für euch?
MG:
Einen sehr großen. Es schließt das Grundstudium ab, welches viele neue Erkenntnisse für die Malerei gebracht hat.
PP:
Aus meiner Erfahrung mit der Kunsthochschule drängt sich ein Vergleich auf. Der deutlich zu Gunsten des Malfront-Vordiplom ausfällt, welches wesentlich mehr Tiefe hat, als das Vordiplom in der Hochschule was man hinterhergeschmissen bekommt.
MW:
Ist es ein Zufall, dass gerade jetzt die Erstauflage eures Buches „Das Malbuch“ im Leipziger Erata-Verlag erscheint?
MG:
Nein. Das Malbuch steht irgendwie für das Grundstudium, es transportiert die Auslotung der malerischen Extrema in die art-fiction-Umgebung und geht damit weit über das ursprünglich begonnene Malfront-Manifest hinaus.
MW:
Was kommt nach dem Grundstudium?
PP:
Nach dem Grundstudium kommt nicht das Hauptstudium. Nein – sondern das Zwischenstudium.
MW:
???
PP:
Ein malerisch ausgeführter Dialog.
Die Puppenspieler.
Und „die Selbstportrait als Rockstar“- Serie.
MW:
Dafür alles Gute. Vielen Dank für das Gespräch.
PP:
Dank Dir. Ciao.
MG:
Tschüß. Bis nächstes Jahr.

Leipzig, 21.10.2005

Fragen von Mike Wassermann zum Zwischenstudium (Malfront Abschlussbericht III)

MW: Seit 2005 nach dem Vordiplom seid ihr im Zwischenstudium. Was ist ein Zwischenstudium?
MG: Das Zwischenstudium ist der Abschnitt des Studiums zwischen Grundstudium und Hauptstudium.
MW: Ihr bezeichnet es als 'dialogisches' Zwischenstudium'. Warum?
PP: Alles Entstandene ist dialogisch, in einem Gespräch, entstanden.
MG: Der Dialog findet vor allem über die Malerei statt. Die drei Bildserien, die in den zwei Jahren entstanden sind leben vom Dialog.
MW: Wie kann man sich das vorstellen?
PP: Begonnen wurde der Dialog bereits im Grundstudium, um genau zu sein schon im ersten Trimester. Ein Dialog. Mit einem sich entwickelnden Bewusstsein. Nur nicht mit den Mitteln der Sprache sondern mit Malerei. Man antwortet einfach.
Die leere Leinwand ist durch das Gespräch nur scheinbar leer. Sie ist durch den begonnenen Dialog bereits begonnen.
MW: ???
MG: Drei Bildserien entstanden im Zwischenstudium. Die Puppenspieler-Serie besteht aus 12 Bildern, die zwischen Leipzig und Chemnitz pendelten. Aus dem einen Bild entwickelte der andere das folgende Bild. Das hat lange gedauert. Zwei Bilder sind als Gemeinschaftsarbeiten entstanden. "Puppenspieler im Koma" und Puppenspieler im Gespräch".
MW: Gab es künstlerische Entwicklung bei der Serie, und wenn ja wie sehen sie aus?
PP: Ja definitiv. Erstaunlich war, dass die späteren Bilder der Serie immer mehr zu sich selbst gekommen sind. Die Bilder wurden immer mehr Bilder. Äußerst überraschend war das 12. gemeinsam gemalte 'Puppenspieler im Dialog' Bild. MG: Die ersten Bilder versuchten sich formell an das Vor-Bild anzulehnen, sicher ein Erbe des Kopier und Interpretier Trimesters aus dem Grundstudium. Ungefähr beim 5. oder 6. Bild lag der Schwerpunkt auf dem Thema, dann wurden sie individueller, lösten sich fast aus der Serie heraus,...
MW: (betrachtet die zwölf nebeneinander stehenden Bilder).
MG: Die Serie hat so eine Art eigenes dumpfes Bewusstsein entwickelt,
MW: Das dialogische Bewusstsein?
MG: Ja, wahrscheinlich. In den parallelen Texten des Puppenspieler Buches passierte etwas ähnliches. Vor allem bei den Chats...
PP: oh ja. Das war eine tolle Sache. Eine ungeheure Dynamik entwickelte sich über den Chat. Wie saßen jeder vor seinem Rechner ca 80km entfernt. Der Chat wurde immer mehr eigensinnig. Er bekam sein eigenes kleines Leben. Unvorhersehbar, wo es damit hingehen sollte. Wie beim malen: Du hast eine Skizze und / oder die Idee ein Bild zu malen. Aber alles was sonst noch passiert, das bestimmt der Bild, oder der Dialog in diesem Fall. Das kann bis zur völligen Verwerfung der Idee führen. Die letzten Chats wurden
sehr rau und brutal muss man sagen. Trotz der Freiheit mit der die Chats entstanden passen sie problemlos in das Buch hinein. Sie besitzen auch ein gemeinsames Bewusstsein, dass dies ermöglichte, und uns zu einer Menge neuer Gedanken führte.
MW: Was waren die anderen beiden Bildserien?
PP: die Mikey's und die Stoni's.
MW: Aja Ok. Eigentlich überraschend, wie kam es dazu?
MG: Wir haben beim ersten Trimester ein Bild getauscht. Ein Selbstbildnis. ‚Selbstportrait als Rockstar’ gegen ‚Selbstportrait mit Staffelei’. Das waren die Startbilder für die Serien, die parallel zu den Puppenspielern entstanden.
MW: Das Zwischenstudium wurde also schon 2003 begonnen?
PP: ja.
MW: Habt ihr die Bilder schon mal zusammen gesehen?
MG: Nein, ein Teil der Bilder war in Leipzig und ein anderer in Chemnitz. Die Ausstellung in Tschechien nächstes Jahr ist die erste Gelegenheit dazu. Da werden alle Zwischenstudiumsbilder ausgestellt.
MW: Hat die dialogische Arbeit an den Bildern irgendeinen Einfluss gehabt. Künstlerisch oder persönlich?
PP: während der Arbeit an den Portraits habe ich mich ja wiedervereinigt. Peter Stone ist als Teilpersönlichkeit zwischen dem 4. und 5. Bild gestorben. Das 5. Bild ist das erste und bislang einzige Portrait, von dem, was ich bin. Nämlich Peter Piek. Die Selbstportraits insgesamt haben viel zu diesem gravierenden Prozess beigetragen. Und künstlerisch. Schau sie dir an! Was meinst du?
MW: Freu mich schon auf die Ausstellung. Was kommt jetzt in eurem Studium als nächstes?
MG: Erst einmal eine Malpause, dann irgendwann geht die Arbeit am Hauptstudium los.
PP: Außerdem führen wir den Dialog in Briefform fort. So sollen Gedanken über die Malerei und das Leben reifen und ausformuliert werden könne. Ganz ironielos!
MW: Vielen Dank für das Interview.

Ranis, 5.8.2006

Fragen von Mike Wassermann zur Auflösung von Malfront

MW: Malfront - was war das?
PP: Schwierig das in Worte zu fassen. Ok. Ich könnte sagen es war eine unabhängige Künstlerinitiative die auf dem Feld der Malerei versucht hat zu befreien und zu entdecken. Ich mein, klar die Sache ist jetzt abgeschlossen. Trotzdem kann ich es nicht objektiv von außen beurteilen. Malfront ist Malfront. Es hat wie alles was wir gemacht haben mit einer kleinen Idee begonnen, und hat sich dann verselbstständigt. Ist gewachsen. Hat eigene Dynamik entwickelt. Wie von selbst. Es hat gelebt. Malfront wird schon selbst wissen ob es cool war.
MW: Nach nur vier Jahren kam im April dieses Jahr die überraschende Nachricht, dass sich Malfront aufgelöst hat. Warum?
PP:Wir leben als Maler und Menschen in einem ständigen Erneuerungsprozess. Klar hätte ich gern noch 50 Jahre mit Malfront weitergemacht. Weist du es war eine wirklich tolle Zeit. Hat Künstlerisch viel gebracht. Hat Entwicklung beschleunigt. War Katalysator. Ja verdammt. Und da klingt es zunächst unlogisch etwas Erfolgreiches einfach zu beenden. Die Entscheidung ging auch nicht von uns aus. Malfront als eine Art verselbstständigter Organismus hat uns einfach zu verstehen gegeben das es jetzt zu Ende ist. Und das es im Sinne der Malerei wäre jetzt wo wir das Hauptstudium gemacht haben. Nach meinem einen Song und 7 Bilder umfassendem Leben „peewee princess of the Dau und Deh“ kann ich eh erst mal einige Zeit. Vielleicht Jahre nichts so komplexes mehr angehen. Ich muss jetzt weiterforschen. Suchen. Grundllagen. Musik und Malerei zusammenführen. Aber für so eine Dichte. Da bin ich nicht in der Lage dazu. Will sagen. Das Malfrontstudium hat alles abverlangt. Wenn ich jetzt weiter studiert hätte wäre ich wahnsinnig geworden. Ich kann nicht mehr. Muss mich jetzt sammeln und dann mit neuer Kraft neue Wege gehen. Dafür hat das Studium das Fundament gebaut. Auf dieses Fundament will ich meine Kirche bauen. Das sagte einmal ein sehr wichtiger Peter und jetzt steht sie wirklich da.
MW: Was fehlt??
PP:Damals im Grundstudium hätte ich gern noch das Kopfbild gemalt. Das haben wir ja dann im Malbuch gemacht. Oder das Hunhn-umbring-mitblutmal-bild das hätte ich auch gern gemalt.
Aber die Zeit. Ich spüre es. Ist jetzt nicht da. Vorbei. Vielleicht. Wer weis später mal.
Jetzt ist anderes an der Reihe
MW: Welche Forschungsergebnisse hinterlässt Malfront der künstlerischen Nachwelt?
PP: Die Ergebnisse sind sehr vielschichtig und gelangen in Dimensionen die man vorher nicht vorhersehen konnte. So zum Beispiel in Literatur wie in 'Das Malbuch' und 'Die Puppenspieler' oder in Musik. Es hat neue Ebenen erschlossen. Ich denke man könnte Malfront sogar eine politische Dimension zuschreiben. Dennoch liegen die wichtigsten Erkenntnisse innerhalb der Malerei. Für die ersten beiden Teile des Malfrontstudiums existieren ja bereits Trimesterabschlussberichte. Für den letzten Teil sind wir allerdings die Frage nach dem was hat es gebracht noch schuldig geblieben. Mir fällt es wie gesagt schwer das zu beantworten. Vielleicht wird man das auch erst in 10 oder 20 Jahren sehen können.
MW: Nun, also zum letzten Teil...
MW: ...nach dem Zwischenstudium ist ja noch ein Hauptstudium geplant gewesen?
PP: Ziel von Malfront war es unter anderem die malerischen Eigenheiten und Ansätze jedes einzelnen herauszuschälen und sichtbar zu machen. Das war das Hauptstudium.
MW: hand aufs herz: hat es geklappt?
PP: Ja.
MW: Was bedeutete das Hauptstudium für Peter Piek?
PP: Vielleicht ist peewee princess so was wie der Urknall meiner Musik-Malerei forschung.
Ich meine vorher waren meine Bilder auch schon musikalisch. Aber diese Arbeit hatte zum ersten mal so etwas wie ein Bewusstsein geschaffen das innerhalb Musik und Malerei noch vieles Möglich und unendeckt ist: Es zeigt das es etwas dazwischen liegendes gibt. Und das ist verdammt viel.
Aber was es für mich bedeutet. Ich muss ehrlich sagen: ich kann das nicht in Worte ausdrücken. Es ist einfach so. Wissen sie ich bin kein Schriftsteller. Ich kann nichts heiliges in Worte fassen.
MW: Wie kam es dazu?
PP: Michael hat mich ja, und dafür bin ich ihm sehr dankbar, mit Klaus Sobolewski bekannt gemacht.
PP: Im Haupstudium ging es darum alles zu geben. Das hört sich einfach an. ist es aber nicht. überhaupt nicht.
PP: Ich musste also versuchen die Musik noch stärker einfliesen zu lassen.
MW: na, und wie sieht dein Diplom aus?
PP: Es besteht aus 3 und 4 Bildern und einem Song.
MW: Was hat der Song bei Malfront zu suchen?
PP: Ein Bild ist ein Song ist ein Bild.
PP: das einzige Problem. Das allerdings ist ein Riesenproblem ist, das es in der Zeit anders funktioniert.
MW: wie kamst du auf den Titel "die kleine Prinzessin"
PP: Das stand nie in Frage. Auch am Anfang nicht. Warum weis ich nicht. Es heißt und hieß immer: Die kleine Prinzessin des Dau & Deh"
PP: oder 'Peewee Princess Of The Dau & Deh'
PP: Der Song ist ja in Englisch
MW: Wieso sollte euer so genanntes "Studium" und das sogenannte "Diplom" irgend jemand ernst nehmen?
PP: Wir haben das Studium gemacht um weiter zukommen. Um die Malerei weiterzubringen. Um die Welt zu beschenken. Um sie zu befreien. Um Sie zu retten. Studium und Diplom. Das sind nur Wörter. Die muss man nicht Ernstnehmen. Die Bilder. Darum gehts. Der Rest ist Mittel zum Zweck. Keine Ahnung.
MW: Wieso musste dann Malfront beendet werden?
PP: Der Malfrontsche Grundethos selbst hat es befohlen. Aber es ist ja nicht so als ob das Malereistudium jetzt beendet wäre das geht ein Leben lang. Nur eben nicht mehr innerhalb von Malfront. Dadurch sind andere Sachen wieder möglich. Luft holen nach dem anstrengendem Studium. Im Sommer machen wir gemeinsam ein Landschaftspraktikum indem wir 6 tage lang je 2 Bilder am tag malen. Das hat mit Malfront nichts mehr zu tun. Das hätten wir vielleicht im ersten Teil des Studiums machen können. Haben wir aber nicht. Das machen wir jetzt. Einfach so.

Leipzig, April 2007

weitere Malfront Statements

Zum Seriellen
Wir sind Maler. Wir wollen die Welt malerisch bearbeiten. Im Gegensatz zu konzeptuellen Ansätzen, sehen wir im freien und gezielten Malprozess einen wesentlichen Beitrag zur Wahrnehmung von Realitäten.
Da uns Themen wichtig sind, wird im Gegensatz zum Einzelbild bei Serien, das Thema nicht nur vorgestellt, sondern malerisch entwickelt und differenziert. Durch Serien sehen wir ideelle und materielle Ansätze gleichermaßen verwirklicht im zeitgenössischen Kontext, ohne dabei den Gedanken der Unmittelbarkeit und Einzigartigkeit des Kunstwerkes dem technisierenden Reproduktionstrieb pseudoinnovativen Kunstschaffens zu opfern.
Das Serielle ist kein Kopieren und Variieren, sondern ein Forschen, und ein freimachendes Aufsplitten in nichtrational inspirierten Gestus und auf der anderen Seite Bekenntnis zum rationalen Aufbau okzidentaler Wahrnehmungsstrukturen.
Aus dieser Aufsplittung entsteht ein großer Freiraum, der malerisch untersucht, synthetisiert und bedingungslos ausgenutzt werden soll, auch wenn es einigen etablierten Hierarchieverbundenen wie ein Querschlag mitten in die Fresse erscheinen muss.
(M.Goller 11/2003)

Über Zeit
Zeit ist ein wichtiger Faktor in der Bildwerdung. Aber Zeit ist relativ.
Ziel ist es, jedem Strich, jeder Linie einen Sinn zu geben. Dabei kommt es nicht auf die Zeit an, die man zum Ausführen der Malerei benötigt. Vielmehr zählt die Intensität der Ausführung.
Zeit ist Energie. Mann kann Stunden an Zeit und Energie verwenden ein Bild mit Linien zu füllen. Aber Energie und Zeit können sowohl positiv Bildaussagen verstärken, sie aber auch negativ beeinflussen, ablenken. Sinnvoll ist es Energie zu kompensieren, aufzusparen um dann mit wenigen Strichen das wesentliche, den Kern der Aussage zu treffen, in dem man Zeit und Energie aufnimmt und gebündelt intensiv einsetzt.
Dadurch wird meiner Meinung nach eine wesentlich bessere Ausgangsposition zum Dialog zwischen Bild und Betrachter geschaffen.
Es ist falsch den Wert eines Bildes daran zu messen, wie viel Zeit der Künstler gebraucht hat um es zu malen. Denn wenn ich jetzt in einer halben Stunde ein Bild male, ist dieses Bild ein Teil des jetzigen Gesamtwerkes. Ohne dieses Werk auch an Skizzen und Studien wäre das Bild, so wie es mit diesem in Verbindung steht nicht möglich gewesen. Das in Zeit ausdrücken zu wollen ist Irrsinn.
Demnach spielt es überhaupt keine wertende Rolle, ob man in 5 Stunden ein halbes oder 10 Bilder malt. Dem Bild ist das egal. In Verbindung von produktiver Malerei mit einer seriellen Malweise lassen sich schneller und effektiver Ideen entwickeln und Rückschlüsse ziehen, um Malerei weiterzubringen und zu erneuern. Und dieses Vorhaben in einem Leben zu schaffen.
(P.Piek 12/2003)

Über Nähe und Ferne in Malerei und Gesellschaft
Die Malerei von Malfront ist „Nahe“ Malerei.
Sie ist im Besonderem durch Nähe charakterisiert. Alle Emotionalität, alle Wildheit, alle Entschlossenheit aber auch alle Ruhe werden direkt, und ohne technische Hilfsmittel, sondern mit dem Pinsel, als Verlängerung des Armes oder
mit Händen und Füßen direkt aus dem Kopf, dem Herzen, dem Bauch heraus auf das Medium Leinwand gebracht. Das ist Nähe.
Leider bekomme ich immer mehr den Eindruck, dass man in vielen Bereichen der gegenwärtigen Malerei und der modernen medialen Gesellschaft, in welcher wir uns befinden, sehr zur Ferne neigt.
Nähe zur Malerei zu sich selbst und zu anderen ist kompliziert. Aber darin liegt gerade das Großartige. Das unglaublich Schöne. Denn das was zählt, ist nicht die unbedingt die Zahl der Eindrücke, sondern deren Intensität.
Ebenso habe ich zunehmend das Gefühl, dass die Sensibilität für intensives Empfinden für Malerei und in der Gesellschaft und damit auch für Malerei zunehmend verloren geht.
Das kann dazu führen, dass Betrachter „naher“ Bilder diese nicht als ebenso nah empfinden oder gar empfinden können. Im Gegenteil werden Betrachter „naher“ Bilder, die „Ferne“ als gewöhnt und nicht störend empfinden diese „nahen“ Bilder als fremd wahrnehmen.
Das freizuschaufeln und frei zulegen kann Malerei leisten. Dazu muss Malerei nah und frei sein.
Und dazu muss sie erneut befreit werden. (siehe Malfront Interview vom 4./5.08.2003)
Malerei, die Ferne propagiert indem sie mit dem Mittel der Fotografie als Malvorlage und mit auf die Leinwand projizierten Vorlagen kühle Bilder schafft, ist Ferne Malerei, die unsere kühle „Gesellschaft der Ferne“ wie ich sie nennen möchte sehr gut charakterisiert. Hier liegt auch die Leistung dieser Malerei, und der Maler die diese als erste vollbracht haben.
Nachdem das aber nun erkannt ist, kann es nicht das Ziel nachfolgender Malergenerationen sein, auf dieser fernen Malerei herumzureiten. Im Gegenteil sollte man eine nahe Malerei schaffen, die in der Lage ist den Menschen Nähe zu
zeigen. Nähe, die viele vergessen haben. Nähe, von denen viele nicht wissen, dass sie überhaupt existiert.
Ganz und gar nichts gegen gute Fotos und gute Fotografen! Aber? In der Malerei!
Was geht verloren, wenn man beispielsweise eine Landschaft, sagen wir den Grand Canyon, von einem Foto abmalt.
Meiner Meinung nach fast Alles. Was kann das Foto als Malvorlage bieten? Was kann es wiedergeben von einem gewaltigen nicht virtuellen Eindruck dieses Naturwunders?
Wenn ich als Fotograf den Grand Canyon fotografieren wollte, käme ich doch auch nicht auf die Idee, in einem Naturkundebuch nachzuschlagen. Was man machen kann. Natürlich! Aber dabei entgeht einem der Geruch der Luft. Die genaue reichhaltigere Zusammensetzung der Farben. Die Möglichkeit sich umdrehen zu können und immer noch da zu sein. Die gefühlte Temperatur auf der Haut. (Den Wind in den Harren.) Das alles trägt bei zu einem großen Reichtum an Eindrücken. Malerei braucht diese Information. Braucht diese Tiefe. Ich will mehr als ein großgezogenes kleines Foto! Sehen. Darum geht es.
Dennoch kann es eine Sinnvolle Verwendung für das Medium der Fotografie in der Malerei geben. Wenn das Foto das einzige ist, was auch als Zeitzeuge fungiert.
Ein Portrait von zum Bsp. Adolf Hitler, oder ein Bild vom zerstörten Berlin um 1945 kann man wohl nur von einem Foto machen. Um das genau zu untersuchen wird sich Malfront dazu eingehend im kommenden Fotografietrimester beschäftigen.
Malerei hat den Auftrag, Menschen in Bezug auf Wahrnehmung weiter zu bringen.
Missstände sichtbar zu machen, und! Lösungen anzubieten und aufzuzeigen.
Jedes technische Element zwischen dem Künstler und dem entstehenden Werk führt in, und birgt die Gefahr der Ferne. Das macht Malerei heute wichtiger, den je.
Malerei an die Front!
(Peter Piek 12/.2004)

Kommentare zu Malfront

Bildprinzip Hässlichkeit
Ganz dicht sind sie offenbar nicht, die Maler. Sonst wären sie nicht bei Frau Doktor Prach-Zoltek in Behandlung. Sie springen und hüpfen in ihrer Zelle, beschäftigen sich mit Spielsachen und malen die Wände voll. Das Symptom: geistige Verjüngung. Ob das wirklich ein Krankheitsbild ist?
"Das Malbuch", erschienen in der Edition Erata, liest sich wie pure Fiktion, entsprungen den Köpfen zweier Autoren mit dem Hang zur Realitätsverweigerung. Nur: Schreiber und Maler sind identisch. Peter Piek und Michael Goller benutzen Literatur als Transportmittel, um ihr Verständnis von Kunst und ihren eigenen Stil selbstironisch nahe zu bringen. Was tatsächlich unkonventionell wirkt, zumal die beiden Chemnitzer den Weg nach einer griffigen Definition gehen. "Wir entwickeln eine Richtung, die es noch nicht gegeben hat, wir schaffen einen Gegenbezug zur Neuen Leipziger Schule", behauptet Peter Piek, der im letzten Semester Malerei an der Hochschule für Grafik und Buchkunst studiert.
Um aus ihrer Intuition Sicht- und Formulierbares zu entwickeln, gründeten die beiden die Initiative "Malfront". Auf der Homepage ist nachzulesen, was Goller & Piek umtreibt: Sie wollen "die Malerei entschütten". In einem Interview, das auch im Buch Erklärungsstütze ist, heißt es, die Malerei brauche eine erneute Befreiung von Malerei. "Nicht der Inhalt soll im Vordergrund stehen, sondern das Bild an sich", erklärt der 25-jährige Piek. "Vieles wird nicht aus einem inneren Bedürfnis gemalt, sondern aus Kalkül."
Die Enfants terribles planen einen Paradigmen-Wechsel. Malerei dürfe kein Datenträger für sinnloses Gepampel sein; "Malerei ist eben vor allem Malerei." Das Künstler-Tandem sehnsüchtelt nach Rückgewinn verlorener Unschuld, nach Besinnung aufs Archaische, auf die pure Kraft eines Bildes.
Mangelnde Konsequenz kann man den Querschlägern im Kunstbetrieb nicht unterstellen: Goller & Piek haben sich ein unabhängiges Studium verordnet, das sie 2003 begonnen haben - nachzulesen auf www.malfront.de. Aufgeteilt in Trimester, stellten sie sich Aufgaben zu Themen wie "Untersuchung von Hässlichkeit als Bildprinzip" im Grundstudium. Zur dialogischen, noch unvollendeten Bildserie "Puppenspieler" im Zwischenstudium entstand einweiteres Manuskript, dessen Veröffentlichung für die nahe Zukunft geplant ist. Viele der im Internet abgebildeten Kunstwerke kombinieren Abstraktes und Konkretes, wirken vielfach sehr naiv;...
Für ihre sehr eigene Akademie entwerfen die beiden nun das Hauptstudium, nach dessen Ende die unabhängige Künstlerinitiative Malfront aufgelöst werden und der Findungsprozess als abgeschlossen gelten soll. "Unser Ziel ist es, persönliche Grenzen zu überschreiten und der Malerei eine neue Richtung zu geben", sagt der junge Künstler Piek, der äußerlich einen recht zerbrechlichen wie unbeirrbaren Eindruck hinterlässt und die Wirklichkeit nur zu benutzen scheint, um geeignete Partikel aus ihr für seinen Lebensentwurf zu filtern. Nebenbei hatte der Künstler, sich übrigens in mehrere Teilpersönlichkeiten aufgespalten. Unter anderem in Peter Stone und Peter Piechaczyk, und macht Musik - Singer-Songwriting, minimalistisch, melancholisch, mit Texten, die aus Träumen und Sehnsüchten gespeist sind. Was ja passt.
Mark Daniel, LVZ (Leipziger Volkszeitung), 15.7.2006


Malfront-Satire von Studenten der HGB Leipzig (Hochschule für Grafik und Buchkunst) 6/2004

... Prozess nennen sie es, Tendenzen, künstlerisch reelle Auseinandersetzung.
Die Künstler kommen. Ich sitz dann da, leer. Näher. Ich sitz dann da, leer, nackt, still. Näher, bitte. Ich.
Sitz dann da.
Sie kommunizieren, adaptieren, fotografieren. Wann fängst du mich. Ich. Du musst traurig sein. Sensibel, schlank, selbstbewusst, perfekt. Sie inspirieren. Im Zeitalter oberflächlicher Reizüberflutung.
Ich sitz dann da, Zewa-Softies. Näher. Ich sitz dann da, Hansa-Plast. Näher, bitte. Ritze, Wilkinson. Siehst du.
Rot stimuliert, motiviert, aktiviert, explodiert. Sie malen jetzt. Spuren. Mit gezügelter Energie.
Sie wollen die Welt retten. Siehst du mich. Du musst traurig sein. Ich ritze. Atemstillstand, Notarztwagen, Leichenhalle. Reingefallen. Ist nicht tödlich, tut nur ordentlich weh und lähmt. Mein Rücken wird kalt. Ich sitz dann da, beziehungsweise hier. Ich bin jetzt nah bei dir, beziehungsweise mir. Wir haben uns gefunden. Das ist kein Kuss, Atemspende. Prometheus sagen sie. Das ist kein Kuss. Lass die anderen. Du malst mich schön, beziehungsweise hässlich. Danke. Du malst mir Bewegungsfreiheit. Ich kann jetzt aufstehen, dankeschön, und dich mehr lieben als alle anderen. Dankeschön, dass es dich gibt, beziehungsweise mich. Dass es mich jetzt gibt, beziehungsweise dich. Stop. Näher geht nicht...
(Melanie Arns, Leipzig 1/2004)

...einige der größten Musiker in der Geschichte können keine Noten lesen. Doch die Musik die sie geschaffen haben setzte Maßstäbe. Die Musik wirkt allein für sich. Diese Musiker üben ihr Instrument spielen, wie die Maler von Malfront das malen. Bildideen und Gedanken werden zu Serien ausgebaut. Wobei jedes einzelne Bild für sich steht. Für sich wirkt. Für sich lebt. So sind alle Bilder absolute Unikate. Das Wesen der Malerei.
Umso mehr überrascht die Eigenheit, die die Werke von  Michael Goller und Peter Piek auszeichnen. Ihre Bilder haben großen Wiedererkennungswert.
Dennoch spüre ich eine ungeheure Bewegung. Ich kenne das bisherige Oevre der Maler gut, und bin auf jede neue Ausstellung gespannt in welche Richtung sich Peter Piek und Michael Goller weiterentwickelt haben.
Denn Malerei ist Wissenschaft. Sie trägt im wesentlichen zur Darstellung unserer Wahrnehmung  bei. Naturwissenschaftliche Errungenschaften haben die Welt in den letzen 10 Dekaden erheblich verändert. Auch die Kunst  hat verändert, eingerissen aufgebaut.
Malfront möchte die Malerei "von Malerei befreien, entschütten, um neue Wege zu entdecken".
Ein hochgestecktes Ziel welche die Maler in nahezu wilder, besessener Art und Weise verfolgen. Sie kämpfen an der Front der Leinwand und der Wissenschaft. Weil es für sie darum geht die Malerei weiter zu bringen. Ich bin im übrigem ebenfalls der Meinung, dass dies dringend notwendig ist.
Malfront beweißt für mich jedenfalls deutlich, dass man kein Fotorealist sein muss, um die Realität darzustellen. Nämlich die Realität des Bildes, der Wahrnehmung und Empfindung.
(Peter Sternkopf, den 12.11.03)

...schön... sehr anregend...hat mir ein lächeln aufs gesicht gezaubert und den grauen morgen mit farben und innerer wärme verschönt...danke dafür ... wunderbar befreiend die großen formate und die zeichen bedenkenlosen beginnens ... das lässt mich gleich aufspringen und mich auf meine pinsel stürzen ...
(meerkind 10/2003)

Erkenntnisse vom Dauerzustand des Malens - „Malfront“ – eine Malaktion bis zur physischen und psychischen Erschöpfung einer Künstlergruppe
&bdKann man als Künstler eigentlich ein ganz normales Leben führen?“ Diese rhetorische Frage stellte sich in der morgendlichen Dämmerung um 6.14 Uhr des 31. August der Fotograf Dirk Hanus – mit seiner kompletten Fotoausrüstung sowie einer gewissen nebulösen Erwartungshaltung ins Atelier des Chemnitzer Künstlers Michael Goller eintretend. Hier, unauffällig und etwas abseits der Schiersandstraße gelegen, in einem architektonisch der Gründerzeit zuzurechnenden ehemaligen Manufakturkomplex – fern ab jedes postmodernen Trubels mit all seinen Auswüchsen und Lärmereien –, werden an diesem Morgen bereits eifrig die letzten Vorbereitungen für ein ganz besonderes Experiment getroffen.
Angekündigt wurde es als: „Die Künstler malen von Sonnenaufgang bis zur Erschöpfung“ in der örtlichen Lokalpresse. „Natürlich wurde bei diesem Satz sofort mein Interesse geweckt, und ich erklärte mich spontan dazu bereit, dieses außergewöhnliche Ereignis mittels einer Fotoserie zu dokumentieren – obwohl im Vorfeld überhaupt nicht feststand, zu welchem Ergebnis das Experiment führen würde“ erklärt der Berufsfotograf.
Mitten in ihren künstlerischen „Lockerungsübungen“ befinden sich zu diesem Zeitpunkt längst die Initiatoren Michael Goller und Peter Piek, ein Künstlerkollege Gollers, der eigens aus Leipzig angereist war...
&bdSpeziell die Malerei charakterisiert sich im Moment der eigentlichen Ausführung in der Regel durch eine zeitlich beschränkte Hochkonzentrationsphase – dies liegt in der körperlich-geistigen Natur des Menschen begründet“, sind sich Goller und Piek einig. Nach ihrer Auffassung spielt die Phantasie besonders in der theoretisch-konzeptionellen Vorbereitungsphase die signifikanteste Rolle. Ähnlich den Jagdinstinkten wird mit subtilstem Gespür gründlich gesucht, aufwendig vorbereitet, immer weiter fokusiert – und schließlich entschlossen ausgeführt, wobei das souveräne künstlerische Ausführen bzw. Umsetzen – entgegen den weitverbreiteten opulenten Klischees der Außenstehenden – fast jedesmal aus einer relativ kurzen, äußerst intensiven Arbeitsphase höchster Anspannung und Konzentration besteht.
&bdDie tatsächliche künstlerische Tätigkeit beginnt für mich schon sehr weit im Vorfeld, denn inmitten der schöpferischen Umsetzung denkt man zumeist an überhaupt nichts mehr – das bewusste Denken ist dann längst abgeschlossen und dient mir vielmehr als notwendige Vorarbeit bzw. Schlüssel für das Kommende“, ergänzt Goller. Beide Künstler haben über diesen Standpunkt schon oft philosophiert, wodurch sie sich an diesem Morgen ohne viele Worte verstehen und gegenseitig ihre „Startpositionen“ vor den wartenden Leinwänden einnehmen können. Ihre Gesichter strahlen eine Art erwartungsfreudige Ruhe vor dem Sturm aus. Systematisch bis ins kleinste Detail haben sie sich über Wochen hinweg vorbereitet, denn sämtliche Utensilien und eventuell benötigten Materialien, die für einen solchen Marathon-Schöpfungsakt mit zeitlich offenem Ausgang benötigt werden könnten, stehen schon griffbereit auf ihren zugewiesenen Plätzen.
Endlich! Um 6.38 Uhr – mit den ersten Sonnenstrahlen, die eine scheinbar unendliche – noch leicht dunstige Stille jetzt Schritt für Schritt mehr ausleuchten, steigt die innere Anspannung auf ein Höchstmaß, geprägt und erwachsen durch die intensiven Vorbereitungen, durch nur allzu leicht verständliche Instinkte der Ungewissheit als auch durch eine Vielzahl an gedanklichen Erwartungsprozessen – die jedoch zu keiner Sekunde die Motivation und Freude auf diesen Augenblick gefährden konnten. Wie aus einem imaginären Befreiungsschlag heraus beginnen Goller und Piek nun mit der letzten Phase ihrer künstlerischen Arbeit. Eine Vielzahl unterschiedlichster Pinsel und schnelltrocknender Farben unterstützen jetzt – in diesen spürbar emotional getränkten, hochkonzentrierten Momenten das Schöpferische, das Entstehen – das ausdrucksstarke Verarbeiten der im Vorfeld gefassten Meinungen und Gefühle – ja, teilweise sogar ihr überraschendes Verwerfen durch Selbsterkenntnis und direkte Erfahrung, denen sich in einer solchen Situation niemand entziehen kann!
&bdIch bin in diesem Moment sehr glücklich, dass ich meine Skizzen und Vorstudien seit fast einem halben Jahr in einem immer mehr Gestalt annehmenden Prozess, der Phantasie und Wirklichkeit auf das Engste verband, ausgesponnen habe“, verrät Piek – der diesen Tag einzig und allein dem schöpferischen Genuss der Ausführung und Vollendung seiner breit angelegten künstlerischen Vorbereitungen gewidmet hat.
Auch bei seinem Mitstreiter Goller entfesselt der Beginn dieses experimentellen Maltages unübersehbar ein kraftvoll-entschlossenes Ausleben – oder treffender, ein intensives Auskosten seiner angestauten kreativen Energien: „Fast schon kam ich in den letzten Wochen in seelische Bedrängnis, da bereits die zahlreichen Gedanken und Anspannungen im Hinblick auf diesen einzigartigen Tag regelrecht unbeschreiblich waren. Ich bin sehr gespannt, wie sich die jetzt schlagartig offensichtlich werdende, unserem Versuch innewohnende Ambivalenz – hin zu einem äußerst extremen Prozess zeitlich unbegrenzten Schaffens, der erst durch völlige Erschöpfung endet, auf unsere Arbeiten – sowie am Ende auf uns selbst auswirkt!“
Vor diesem Hintergrund sollte sich auch die Wahl der dokumentarischen Möglichkeiten mittels Fotografie durch den erfahrenen Chemnitzer Fotografen Dirk Hanus als besonders vortrefflich und bereichernd erweisen, der während des gesamten Projektes mit seiner Kamera stets im richtigen Moment am richtigen Ort war – und damit ein wertvolles Diorama der Ereignisse in der Schiersandstraße schaffen konnte.
Höchst interessant bleibt jedoch neben den im Laufe dieses Tages entstandenen Arbeiten nicht zuletzt schließlich das zeitlich-protokollarische Ergebnis eines kollimativen Experiments zweier Künstler, die weit mehr als ihre persönlichen Stilrichtungen sowie die daraus resultierende Wahl und Form der künstlerischen Ausdrucksmittel miteinander verbindet. Denn fast zeitgleich senkten sich nur wenige Stunden vor Sonnenuntergang bei beiden vor Erschöpfung die Pinsel!
Abschließend stellt sich nun doch noch einmal die Frage: Kann ein Künstler ein ganz normales Leben führen?!
(Christian-H v Gehe 9/2003)

...und ich dachte schon, ich sei der einzige der das Malen in unserer Generation bis auf den Tod verteidigt!
(Henning Straßburger 8/2003)

...das ist schon verdammt viel, wenn Kunst Kunst auslöst. Allein schon, wenn sie Gedanken auslöst, besser noch: Gefühle. Die eigenen nämlich, erstmal wird da was eigenes ausgelöst, man sieht nicht gleich die Welt in einem Bild, auch nicht in ganz vielen Bildern. Man sieht nur sich, zuerst. Und wenn man anfängt, sich selbst zu sehen und zu verstehen, dann wird der Blick offen für andere.
Und das ist, was Kunst im Allgemeinen und die Malfront im Besonderen so wichtig macht.
(Melanie Arns, Leipzig 8/2003)

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